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Auf Anfrage der WELT zum Thema „Wie weiter mit der CDU“ habe ich einen ausführlichen Gastbeitrag veröffentlicht. Die CDU muss sich inhaltlich neu ausrichten. Wer nun glaubt, das gehe nur mit Frauenquoten und einem Kampf gegen das Auto, hat den Schuss nicht gehört. Die Menschen in Deutschland haben andere Prioritäten als die Berliner Blase. Eine Volkspartei sollte das ernst nehmen. Nach der historischen Wahlniederlage der CDU ist die Diskussion um die personelle Neuaufstellung unserer Partei in vollem Gange. Mindestens genauso wichtig ist aber eine programmatische Profilschärfung und Selbstvergewisserung.

Zur inhaltlichen Positionierung gibt es Stimmen aus den eigenen Reihen, die vor einem konservativen Roll-Back der CDU warnen. Diese Stimmen sind überwiegend von jenen zu vernehmen, die Mitverantwortung tragen für die schwere Wahlschlappe bei der Bundestagswahl und deren Einschätzungen sich schon bei den vorangegangenen Wahlen des Parteivorsitzes nicht als der Weisheit letzter Schluss entpuppt haben. Schnell heißt es, die mangelnde Frauenbeteiligung oder zu wenig Klimaschutz seien ursächlich gewesen. Aber ist der Regierungsverlust nicht vielmehr Ergebnis einer langjährigen Politik des grenzenlosen Pragmatismus, der Grundprinzipien christdemokratischer Politik aus den Augen verlor und am Ende als beliebig erschien? Hat die schon klinisch tote SPD wirklich die Wahl gewonnen oder war es nicht vielmehr Olaf Scholz, dem die Wähler als einzigem Kandidaten die Führung unseres Landes zutrauten?

Eine zutreffende Analyse der Wahlniederlage ist unerlässlich für einen erfolgreichen Neustart. Wer meint, die fehlende Frauenquote sei ursächlich für die Abstrafung an der Wahlurne gewesen und paritätisch besetzte Parteilisten seien der Ausweg aus der Krise, der hat den Schuss nicht gehört. Diejenigen, die das Ohr besonders dicht an den Berlin-Mitte-Hauptstadtmedien haben, sind in ihrer Haltung häufig besonders weit entfernt von den eigenen Mitgliedern und Wählern.

Immer wieder wird betont, dass Wahlen in der Mitte gewonnen würden. Diese zweifellos richtige Feststellung führt unweigerlich zur Frage, wo denn die Mitte der Gesellschaft zu verorten ist. Politik für die Mitte der Gesellschaft zu machen, ist mehr, als dem Zeitgeist hinterherzulaufen und kleinen, aber meinungsstarken linksliberalen Kreisen das Wort zu reden. Die Mitte der Gesellschaft ist viel normaler, als manche glauben. Die Mitte der Gesellschaft ist nicht in Berlin-Mitte Die Mitte ist rein zahlenmäßig weder Berlin-Mitte noch Bremen. Die dort heiß diskutierten Themen wie Gendersprache oder Frauenquoten haben ihre Bedeutung, spielen andernorts aber allenfalls eine sekundäre Rolle. Die Dauerbeschäftigung damit stößt bürgerliche Wähler eher ab und hat mit der Lebenswirklichkeit derjenigen, die den Laden am Laufen halten, nur sehr wenig zu tun. Mit der Fokussierung auf diese Themen hat auch eine Entfremdung von bürgerlichen Wählern stattgefunden. Gleichzeitig ist das Ziel, sich damit als starker Faktor in Großstädten zu etablieren, erkennbar verfehlt worden.

In der Welt der Berlin-Mitte-Medien ist die Quote etwas, das kommen muss, Zuwanderung wird hier eher als kulturelle Bereicherung betrachtet und steigende Spritpreise sind ein willkommener Beitrag zur Bekämpfung des Klimawandels. Aber ist die Union wirklich gut beraten, sich an Medien zu orientieren, die es überwiegend nicht besonders gut mit CDU und CSU meinen? Dabei wird verkannt, dass die bewegenden Themen schon für die Menschen am Rand der Großstädte, mehr noch in Mittelstädten oder gar im ländlichen Raum ganz andere sind. Eine Familie mit Haus und Kindern sorgt sich eher vor unkontrollierter Zuwanderung, Inflation oder schlechter sozialer Absicherung und bricht nicht in Jubelstürmen aus, wenn die Preise von Gas und Benzin durch die Decke gehen.

Für viele Menschen auf dem Land ist das Auto die einzige Möglichkeit, in angemessener Zeit zum Arbeitsplatz zu gelangen. Und für Millionen Rentner ist das Auto die einzige Mobilitätsoption, um am gesellschaftlichen Leben überhaupt teilnehmen zu können. Diesen Menschen müssen wir glaubwürdige Angebote machen, um Volkspartei zu bleiben. Die CDU ist nicht Volkspartei der Mitte, wenn die Sozialpolitiker den Kurs in der Migrationspolitik bestimmen, sondern wenn sie gute Antworten auf zentrale soziale Fragen wie eine verlässliche Rente und eine leistungsfähige Pflege liefern und die Innenpolitiker stringent einen Kurs von Humanität und Ordnung vertreten. Es geht nicht um eine Neuaufstellung der Union als rein konservative oder wirtschaftsliberale Partei, nicht um Ausschließlichkeit. Natürlich müssen wir uns gesellschaftlichen Entwicklungen anpassen, natürlich braucht unsere Partei liberale und soziale Stimmen. Aber diese haben keinen Alleinvertretungsanspruch.

Konservative Wurzel ist verkümmert

Fakt ist, die konservative Wurzel ist verkümmert. Die Union wird sie wieder pflegen müssen. Das ist zu lange versäumt worden, wie allein das Wahlergebnis im Osten zeigt. Moderner Konservatismus bedeutet nicht Stillstand, sondern den Wandel auf Basis eines stabilen Wertefundaments zu gestalten, Veränderungen dort vorzunehmen, wo sie vernünftig sind, aber nicht alles Bewährte infrage zu stellen, was Menschen Halt und Orientierung gibt. Klingt abstrakt, ist es aber nicht. Moderne Konservative schätzen Frieden, Freiheit und Wohlstand durch die EU, verleugnen aber ihre nationale Identität nicht; sie befürworten ganztägige Kita-Betreuungsangebote als wichtige Errungenschaft, sind aber nicht der Meinung, dass Vater Staat die Lufthoheit über die Kinderbetten haben sollte; sie betrachten den Kampf gegen den Klimawandel als Auftrag zur Bewahrung der Schöpfung, wollen den Bürgern aber nicht vorschreiben, was sie zu essen und wie sie sich fortzubewegen haben; schließlich sehen sie humanitäre Hilfe für Flüchtlinge als Gebot christlichen Handelns, glauben aber nicht, dass das Elend der Welt durch Aufnahme aller in Deutschland geheilt werden kann und sollte.

Die kommende Zeit in der Opposition ist eine Chance zur Selbstvergewisserung, zur Rückbesinnung auf die Grundwerte der CDU, nicht auf Antworten der Vergangenheit. Die CDU kann und muss sich wieder mehr programmatische Klarheit leisten. Es ist durchaus möglich, dass die Chance der Union schneller kommt, als manche denken. Aber dann muss die CDU programmatisch wieder bei sich, personell stabil und innerparteilich geschlossen sein.