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Mieterprotest in der Berliner Karl-Marx-Allee.

© imago/Peter Homann

Mietenstopp für fünf Jahre: Nur den Mangel zu verwalten, reicht nicht aus

Berlins Stadtentwicklungssenatorin will alle Mieten für fünf Jahre einfrieren. Ist das sinnvoll? Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Appenzeller

Berlins Politik hat die Eigenschaft, auf erkannte Probleme nicht mit Lösungen zu reagieren, sondern   die eigene Unentschlossenheit hinter schönen Worten zu vernebeln. Der Autoverkehr, der die Innenstadt verstopft, ist ein Beispiel. Dagegen hilft eigentlich nur ein leistungsfähiger ÖPNV. Zum Beispiel der mehrgleisige Ausbau bislang eingleisiger S-Bahn-Strecken, die Anschaffung neuen rollenden Materials, ein dichterer Takt von Zügen und Bussen. Das weiß man seit mindestens 15 Jahren. Geschehen ist viel  zu wenig.

Das jüngste Beispiel ist der Wohnungsmarkt. Die Stadt wächst Jahr für Jahr um 30.000 bis 40.000 Menschen. Was Berlin also braucht, sind mehr Wohnungen. Gebaut aber werden – weniger Wohnungen. Und wenn, dann die falschen. Was fehlt, ist bezahlbarer Wohnraum. Für die, die schon hier sind, und die sich durch immer weiter steigende Mieten in Not gebracht sehen. Und für jene, die kommen wollen und die Berlin vielleicht braucht, die Wirtschaft, die Stadtgesellschaft.

Statt nun alles zu tun, um vorhandene Planungen umzusetzen, neue Baugebiete zu erschließen, den Genossenschaften, die liebend gerne bauen würden, endlich Grundstücke zur Verfügung zu stellen, geschieht – wenig. Währenddessen nutzen Unternehmen wie die Deutsche Wohnen ihren legalen Handlungsspielraum aus, und erhöhen Mieten. Andere drehen an den Nebenkosten. Die Unterschriftenaktion mit dem Namen „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ finden großen Zulauf und stößt auf Sympathien in der Landesregierung. Dass durch Enteignung von Wohnungen keine einzige neue gebaut wird, stört nicht. Und leider wirkt offenbar nicht einmal der moralische Druck auf das Unternehmen.

Jetzt hat die eigentlich für Bauen zuständige Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher eine neue Idee: Sie will alle Berliner Mieten für fünf Jahre einfrieren, außer denen für Wohnungsneubauten und im sozialen Wohnungsbau. Die Idee stößt auf Beifall. Aber auch hier gilt, wie schon bei der Enteignungsinitiative:  Durch gedeckelte Mieten wird keine einzige neue Wohnung gebaut.

Rechtfertigen könnte die Politik eine solche Maßnahme allenfalls durch nachvollziehbare Maßnahmen wie eine umgehende Ankurbelung des Wohnungsneubaus. Die Argumentation wäre dann etwa so: Wir wollen nicht, dass eine Notlage der Bevölkerung ausgenutzt wird. Deshalb deckeln wir vorübergehend die Mieten, um Menschen mit kleinem Einkommen zu schützen. Wir beseitigen den Wohnungsmangel aber innerhalb dieser fünf Jahre durch ein ehrgeiziges Neubauprogramm. Das würden die meisten Menschen verstehen.

Alle, die eine Wohnung suchen, werden leiden

Wenig überraschend: Davon ist keine Rede. Die einzige Folge eines Einfrierens der Mieten wird also sein, dass Wohnungseigentümer geplante Erneuerungen im Bestand mangels Rendite sein lassen. Wer aber neu baut als Privatmann, darf ja höhere Mieten verlangen. Wer wird also weiter leiden? Alle, die eine Wohnung suchen, Alt-Berliner genauso wie Neu-Berliner.

Die Maßnahme ähnelt dem Versuch der Eltern eines heranwachsenden Kindes, keine neue Kleidung zu kaufen, weil die Geld kostet. Tatsächlich verhält sich Katrin Lompscher ja auch ganz ähnlich. Sie will erreichen, dass ihre städtische Wählerklientel, die der Linken,  von Zuzug und Mieterhöhungen verschont bleibt. Das ist legitim. Aber warum widersetzen sich Grüne und SPD nicht? Weil auch sie ihre eigene Klientel haben, die es zum Beispiel nicht mag, wenn in der eigenen Nachbarschaft gebaut wird, und die deshalb jede Wiese zur unverzichtbaren Kaltluftschneise erklärt. Als gäbe es Tiergarten, den Flughafen Tempelhof, das TXL-Gelände nicht.

Miethaien kommt man am besten durch den Neubau von günstigen Wohnungen bei. Wenn es keine Notlage mehr gibt, die nur auf Rendite schauende Konzerne ausnutzen können, werden sie ihre Macht verlieren. Will die Politik das erreichen, hilft nur Bauen, Bauen, Bauen.  Man muss es wieder und wieder sagen.

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