Die Grünen positionieren sich zum Thema Enteignung. Den Antrag, das Volksbegehrens zu unterstützen, hat auch Ramona Pop unterzeichnet.

Die Berliner Grünen haben sich am Mittwochabend auf einem kleinen Parteitag zum Volksbegehren „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ positioniert. Der Antrag, die Ziele des Volksbegehrens zu unterstützen, wurde mit einstimmiger Mehrheit angenommen.

Eingebracht und formuliert hatten den Antrag nicht nur die Fraktionschefs und der Landesvorstand, sondern auch die Wirtschaftssenatorin und stellvertretenden Regierungschefin, Ramona Pop, Justizsenator Dirk Behrendt und Verkehrssenatorin Regine Günther. Berlins IHK-Präsidentin Beatrice Kramm warnte deshalb vor einem „fatalen Signal“ für die Wirtschaft.

„Mit großer Irritation nehmen wir zur Kenntnis, dass also selbst die Wirtschaftssenatorin die Enteignung privater Unternehmen am Standort Berlin befürwortet“, sagte Kramm am Mittwoch. Die soziale Markwirtschaft sei Fundament und Grundpfeiler für wirtschaftlichen Erfolg – auch in Berlin. „Das sollte bedenken, wer durch Unterstützungsadressen für Enteigner diese Grundlage in Frage stellt“, teilte sie an die Adresse der Wirtschaftssenatorin gerichtet mit. Wenn zwei Drittel des Senats der sozialen Marktwirtschaft das Misstrauen aussprechen, sei dies „ein fatales Signal für freies Unternehmertum nicht nur in Berlin, sondern weit über die Hauptstadt hinaus“, warnte Kramm.

Die SPD ringt noch um eine einheitliche Position

Die Berliner Linken hatten ihre Unterstützung für die Kampagne „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ bereits Ende vergangenen Jahres beschlossen. Nachdem nun auch die Grünen ihren Antrag „Mietenwahnsinn stoppen: Für eine Neuausrichtung des Berliner Wohnungsmarktes und eine starke gemeinwohlorientierte Wohnungswirtschaft“ beschlossen haben, bleibt in der rot-rot-grünen Koalition nur noch die SPD übrig, die sich noch nicht auf eine Position zum Volksbegehren festgelegt hat. Diese Entscheidung soll erst auf dem Landesparteitag der SPD im November fallen. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) selbst hat sich gegen Enteignungen ausgesprochen. Genauso die Oppositionsparteien.

Anders als die Berliner Linken, die das Volksbegehren, das die Enteignung aller Wohnungsunternehmen mit mehr als 3000 Wohnungen im Bestand zum Ziel hat, vorbehaltlos unterstützen, will die Grünen-Spitze die Enteignung an Bedingungen knüpfen. So sehe man die rein quantitative Obergrenze kritisch, vielmehr müssten qualitative Kriterien „wie die Einhaltung des Berliner Mietspiegels oder die Erfüllung der Instandhaltungspflichten eine Rolle spielen. In dem Antrag heißt es weiter, dass es vordringlich darum gehe, Mieter zu schützen, Spekulationen Einhalt zu gebieten und den gemeinwohlorientierten Wohnungsbestand zu erhöhen. In den neun aufgeführten Punkten, die zu Lösung des Wohnungsproblems führen sollen, sucht man die Reizworte „Enteignung“ beziehungsweise „Vergesellschaftung“ allerdings vergebens.

Vielmehr wird die Einsetzung eines Treuhänders im Falle fortgesetzten Leerstandes gefordert. Außerdem wollen die Grünen die Einführung eines fünfjährigen Mietenmoratoriums, einen landesweiten Mietendeckel, eine Taskforce gegen Immobilienspekulation, die Einführung eines zentralen Immobilienregisters und die stärkere Unterstützung der Bezirke bei der Ausübung des Vorkaufsrechts. Sozialwohnungen sollen zudem stärker gefördert werden.

Erst auf der vorletzten Seite des Antrags werden die Grünen deutlicher: „Wir unterstützen die Ziele des Volksbegehrens“, heißt es dort unmissverständlich. Man wolle erreichen, dass der Staat wieder auf Augenhöhe mit Wohnungsunternehmen verhandeln könne. „Wir würden uns wünschen, dass die Umstände uns nicht zwingen, die Vergesellschaftung als letztes Mittel anzuwenden, um den verfassungsgemäßen Auftrag erfüllen zu können“, heißt es in dem zur Abstimmung stehenden Papier. Wenn Wohnungsunternehmen sich jedoch weigerten, ihrer sozialen Verantwortung nachzukommen, „wird die öffentliche Hand, auch durch ein Volksbegehren gestützt, diesen Schritt gehen“. Eine bemerkenswerte Wandlung: In der Vergangenheit hatte Wirtschaftssenatorin Pop noch gewarnt, leichtfertig von Enteignungen zu reden.

Senatoren bleiben der Abstimmung fern

Senatorin Ramona Pop (Grüne)
Senatorin Ramona Pop (Grüne) © jörg Krauthöfer

„Frau Pop hat nicht ihre Meinung geändert. Das Instrument befürwortet sie nicht, sie setzt auf ein Maßnahmenbündel“, sagte ihre Sprecherin Svenja Fritz auf Nachfrage der Berliner Morgenpost.

Weder Ramona Pop noch die anderen Senatoren waren allerdings zur Abstimmung des Antrags erschienen. Und so blieb es anderen Rednern vorbehalten, den Antrag zu interpretieren. „Wer mit unserer Stadt Monopoly spielt, muss mit der Ereigniskarte Vergesellschaftung rechnen“, stellte Katrin Schmidberger, wohnungspolitische Sprecherin der Partei, unter dem Applaus der rund 50 Delegierten klar. Schmidberger hatte an der Formulierung des Antrags mitgearbeitet.

Unterschriftensammlung endet im Juni

Anfang April hat die Unterschriftensammlung für das bislang bundesweit einmalige Volksbegehren „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“ begonnen. Um das Volksbegehren offiziell einleiten zu können, müssen zunächst mindestens 20.000 Unterschriften zusammenkommen. Diese seien bereits erreicht, verkündeten die Initiatoren im April.

Deshalb sieht die Grünen-Spitze den Zeitpunkt erreicht, in einen Dialog zu treten. Man sehe das Abgeordnetenhaus und Senat in der Pflicht, mit den Initiatoren des Volksbegehrens in Verhandlungen zu treten, „die auch in einem Gesetz münden können“.