Der Historiker Henning Köhler hält Veranstaltung der Linken zur Gründung der KPD im Parlament für „völlig deplatziert“.

Die Linke hat in diesen Tagen viele Gelegenheiten, sich mit ihren Wurzeln auseinanderzusetzen. Am Wochenende erinnerten 300 Menschen an den Januaraufstand von 1919, auch Spartakus-aufstand genannt. Eine Solidaritätsdemonstration für den abgesetzten linken Berliner Polizeipräsidenten Emil Eichhorn hatte sich am 5. Januar zu einer bewaffneten Revolte entwickelt.

Wenige Tage zuvor hatte sich der Spartakusbund mit anderen linksradikalen Gruppen im Festsaal des Preußischen Landtags zur Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) zusammen geschlossen. An dieses Ereignis, das sich mehrere Tage über den Jahreswechsel 1918/19 zog, erinnert die Linksfraktion am Montagabend mit einer Veranstaltung im Abgeordnetenhaus. Der Ort ist authentisch, denn die Berliner Volksvertretung tagt seit 1990 im Gebäude des Preußischen Landtags an der Niederkirchnerstraße.

CDU, AfD und FDP kritisieren „Jubelfeier“ für die KPD

Der Historiker Henning Köhler hält es dennoch für „völlig deplatziert“, eine Veranstaltung von Leuten, die einen „durch nichts zu rechtfertigenden Aufstand“ anzettelten, in einem Parlamentsgebäude zu begehen. „Dass dies dort stattfinden soll, ist eine Stillosigkeit“, sagt der emeritierte Geschichtsprofessor. Auch CDU, FDP und AfD hatten die „Jubelfeier“ für die KPD scharf kritisiert und Parlamentspräsident Ralf Wieland (SPD) aufgefordert, die Räume im Parlament dafür nicht freizugeben. In der Einladung der Linksfraktion heißt es, man wolle auf die „widerspruchsvolle und wechselvolle Geschichte dieser Partei“ zurückblicken. Auch Fehler der KPD werden benannt. So etwa die Gründung kommunistischer Gewerkschaften und die Sozialfaschismustheorie, die die SPD zum Hauptfeind der Kommunisten erklärte. Beide Entscheidungen hätten eine „konsequente Einheitsfront gegen den aufkommenden Faschismus“ verhindert.

Als Historiker hat Henning Köhler nichts dagegen, sich mit der Vergangenheit zu beschäftigen. Auch der Vorwurf, aus der KPD seien später der Stalinismus und die SED hervorgegangen, kann aus seiner Sicht heute nicht Gegenstand der Auseinandersetzung sein. „Stalin lassen wir da raus“, sagte Köhler. Aber er stellt auch fest, dass die KPD gleich nach ihrer Gründung „kräftig mitgeholfen“ habe, „die Demokratie in Deutschland zu zerstören“.

Auf dem Gründungsparteitag habe sich die KPD mehrheitlich dagegen ausgesprochen, sich an den für den 19. Januar 1919 angesetzten Wahlen zur ersten Nationalversammlung nach dem Sturz der Monarchie zu beteiligen.

Rosa Luxemburg war für die Teilnahme an den Wahlen

Das geschah gegen den Willen der heutigen Linken-Ikone Rosa Luxemburg. Sie warnte die Genossen, sie machten sich „ihren Radikalismus sehr leicht“. Offenbar hatte die bald darauf ermordete Spartakus-Anführerin einen klareren Blick auf die Macht- und Mehrheitsverhältnisse im Land und die desaströse Versorgungslage kurz nach dem Ende des Ersten Weltkriegs. Luxemburg folgte auch der Entscheidung des Rätekongresses, der zuvor für die Teilnahme an den Wahlen gestimmt hatte.

Aber die Mehrheit im Festsaal habe sich wohl von den oft revolutionär gestimmten Volksmassen auf Berlins Straßen blenden lassen, ist Köhler überzeugt. Sie hätten aus der Zustimmung von 100.000 Menschen in Berlins Mitte eine Mehrheitschance in ganz Deutschland ausgerechnet. „Wir sind im Begriff, die Macht an uns zu reißen“, hielt denn auch ein Delegierter der skeptischen Rosa Luxemburg entgegen. Das Vorbild war Russland, wo einige Monate zuvor der kleinen Gruppe der Bolschewiki die Revolution gelungen war.

Aus Sicht des Historikers Köhler, der viel über die Novemberrevolution geforscht und publiziert hat, markiert der Gründungsparteitag der KPD ein „klares Nein der damaligen Führung zum Parlamentarismus und der pluralistisch verfassten Demokratie“. Für die „radikale Linke heute sollte das Datum „ein Tag der Selbstkritik“ sein.

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