Berlin. Die Verkehrsbetriebe sehen die Initiative des Senats kritisch, die das Fahren ohne Ticket zur Ordnungswidrigkeit herabstufen will.

Geht es nach dem rot-rot-grünen Senat, sollen Schwarzfahrer in öffentlichen Verkehrsmitteln deutschlandweit nicht weiter wie Straftäter behandelt werden. Wie die Berliner Morgenpost am Dienstag berichtete, erarbeitet Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) einen entsprechenden Gesetzesentwurf, den das Land Berlin über eine Bundesratsinitiative einbringen will. „Wir leben in einer Demokratie, und wenn ein Gesetz geändert wird, werden wir das natürlich akzeptieren“, reagiert Petra Reetz, Sprecherin der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) auf den Vorstoß. „Wir befürchten, dass die Schwarzfahrerquote dadurch deutlich steigen wird.“

Schon heute, so die BVG-Sprecherin, entstehe der BVG ein jährlicher Schaden von rund 20 Millionen Euro durch entgangene Ticketeinnahmen. „Der Schaden ist enorm, wenn man bedenkt, dass nur drei Prozent der Beförderten ohne Fahrschein unterwegs sind“, führt sie aus. Werde Schwarz­fahren bagatellisiert und zur reinen Ordnungswidrigkeit erklärt, rechne die BVG mit deutlich mehr Schwarzfahrern in den öffentlichen Verkehrsmitteln. Den meisten Schwarz­fahrern sei es peinlich, ohne Fahrschein erwischt zu werden. Die Ordnungswidrigkeit Falschparken dagegen sei kaum jemandem unangenehm, da ärgere man sich nur über das Ticket.

„Wenn jemand beim Bäcker ein Brötchen stiehlt, ist das ja auch eine Straftat, obwohl ein Brötchen sogar weniger kostet als ein Fahrschein“, so Reetz. Warum das eine straffrei sein solle und das andere nicht, erschließe sich ihr nicht. Zudem müssten Berliner, die einmal eine Fahrkarte vergessen hätten, nicht mit Strafverfolgung rechnen. Diese drohe nur hartnäckigen Wiederholungstätern. Obdachlose würden im Übrigen nicht verfolgt. „Es stimmt also nicht, dass die Ärmsten der Armen in den Knast wandern“, sagt Reetz und verweist zudem auf die zahlreichen Sondertarife für Schüler, Senioren und Studenten.

Kontrolle der Personaldaten wird erschwert

Als Landesbetrieb kann die BVG indes nicht so deutliche Worte finden wie der von der Landespolitik unabhängige Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV). „Schwarzfahren ist eben nicht wie Falschparken, wo sich der Fahrzeughalter über das Kfz-Kennzeichen ermitteln lässt“, sagt VDV-Sprecher Lars Wagner. Fahrscheinprüfer bekämen erhebliche Probleme, die Personalien der Schwarzfahrer zu fordern. „Bei einer reinen Ordnungswidrigkeit gibt es das sogenannte Recht zur vorläufigen Festnahme nicht“, so Wagner. Letztlich müssten sie auf die freiwillige Herausgabe der Personaldaten bauen.

Schwarzfahren sei bundesweit geregelt. Eine Änderung müsse daher nicht nur durch den Bundesrat, sondern auch durch den Bundestag beschlossen werden. Wagner erinnert daran, dass die Fraktion der Linken und Grüne auf Bundesebene ebenfalls entsprechende Gesetzentwürfe vorgelegt hätten, die bei einer Anhörung im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz im vergangenen November jedoch keine Mehrheit fanden. „Nun wollen es die Berliner also über die Bundesländer und den Bundesrat versuchen“, so Wagner.

Durch das „Erschleichen einer Beförderungsleistung“, wie Schwarzfahren juristisch korrekt heißt, entstehe den Verkehrsunternehmen ein hoher Schaden. „Schätzungen gehen von einem Betrag von 250 bis 300 Millionen Euro aus“, sagt der Verbandssprecher. Diese Schäden tragen im Ergebnis entweder die ehrlichen Fahrgäste oder die öffentliche Hand, kritisiert Wagner.

Die Berliner Koalition will das Schwarzfahren von der Straftat zur Ordnungswidrigkeit machen, für die ein Bußgeld zu zahlen ist. Dies allerdings zusätzlich zur Vertragsstrafe von 60 Euro, die als erhöhtes Beförderungsentgelt auch weiterhin an die BVG zu zahlen sind. Die bloße Herabstufung zur Ordnungswidrigkeit bringe für Polizei und Gerichte aber keine Entlastung: „Wer die Ordnungsstrafe nicht zahlt, muss ebenfalls mit einer Erzwingungshaft rechnen“, so Wagner.

NRW arbeitet ebenfalls an Gesetzesänderung

Auch andere Bundesländer arbeiten an Vorlagen, etwa der Justizminister von Nordrhein-Westfalen, Peter Biesenbach (CDU). Allerdings seien Detailfragen noch offen. „Ziel des Ministers bleibt es, in Verhandlungen eine politisch mehrheitsfähige Lösung zu erarbeiten“, sagt sein Sprecher Ralf Herrenbrück der Berliner Morgenpost. Auch Berlins Nachbarland Brandenburg hat sich immer wieder für die Entkriminalisierung des Schwarzfahrens eingesetzt. „Allerdings haben unsere Vorstöße in der Justizministerkonferenz bisher keine Mehrheit gefunden“, sagt Uwe Krink, Sprecher von Justizminister Stefan Ludwig (Linke). „Wir werden uns genau anschauen, was die Berliner nun konkret vorschlagen.“

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