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CDU-Politiker Jens Spahn "Ich finde es wichtig, dass Merz uns erhalten bleibt"

Seine Niederlage im Rennen um den CDU-Vorsitz sieht Jens Spahn offenbar gelassen. Im Interview weist er Gerüchte zurück, es habe eine Absprache zugunsten Kramp-Karrenbauers gegeben - und nimmt Friedrich Merz in die Pflicht.
Jens Spahn

Jens Spahn

Foto: Markus Schreiber/ AP
Zur Person
Foto: Michael Kappeler/ picture alliance/dpa

Jens Spahn, Jahrgang 1980, kandidierte auf dem Bundesparteitag in Hamburg am 7. Dezember 2018 für den Vorsitz der CDU, schied allerdings mit knapp 16 Prozent der Stimmen im ersten Wahlgang aus. Der Bundesgesundheitsminister wurde später wieder ins Präsidium gewählt. Spahn, seit 2002 Mitglied des Bundestags, stammt aus Ahaus im Münsterland. Von 2014 bis 2017 war er parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium.

SPIEGEL ONLINE: Herr Spahn, bei der Wahl zum Vorsitzenden Ihrer Partei sind Sie auf dem dritten Platz gelandet, wirken aber trotzdem so zufrieden als hätten Sie gewonnen. Wie kommt's?

Spahn: Ich hätte natürlich gerne gewonnen, aber ich habe auch die Umfragen gelesen und die Stimmung wahrgenommen. Für mich fühlt es sich immer noch richtig an, das gemacht zu haben. Drei Kandidaten haben dem Verfahren gut getan, denn so gab es keine Polarisierung und eine breitere Debatte. Außerdem zeigt mein Wahlergebnis, dass meine Generation eine starke Stimme in der Partei hat. Es ist an der Zeit, dass mehr Jüngere in Verantwortung kommen. Es war richtig, dafür einzutreten.

SPIEGEL ONLINE: Ihre zwei engsten politischen Freunde, MIT-Chef Carsten Linnemann und der JU-Vorsitzende und neue CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak, haben Sie im Wahlkampf nicht offen unterstützt. Wie steht es jetzt um diese Freundschaft?

Spahn: Wir haben die Dinge immer offen und fair besprochen und sind nach wie vor gute Freunde.

SPIEGEL ONLINE: Finden Sie es richtig, dass Ziemiak sich von der neuen Parteivorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer als Generalsekretär einbinden lässt?

Spahn: Klar, das ist eine Riesenchance für die Partei. Wir haben mehr Mitglieder über 80 als unter 40, da ist ein 33-jähriger Generalsekretär doch ein starkes Signal für die CDU.

SPIEGEL ONLINE: Ziemiak hat praktisch keine Kampagnen-Erfahrung, verbringt seine erste Legislatur im Bundestag. Er wird jedenfalls in der Anfangsphase kein starker Generalsekretär sein.

Spahn: Das wollen wir mal sehen. Paul bringt viel mit, was der Partei noch fehlt, Social-Media-Kompetenz zum Beispiel. Er hat die JU, die größte Jugendorganisation Europas, sehr erfolgreich geführt. Ich freue mich, dass Annegret Kramp-Karrenbauer ein Team bildet, das sich gut ergänzt. Die Partei braucht die volle Aufmerksamkeit der Vorsitzenden und des Generalsekretärs. Denn es gibt eine ganze Reihe von Themen, die grundsätzlich geklärt werden müssen - ob Europapolitik, Energiepolitik, Migration oder Integration. Der Parteitag war der Startpunkt eines neuen Diskussionsstils in der Partei, nicht das Ende.

SPIEGEL ONLINE: Es gibt Gerüchte, Sie seien im zweiten Wahlgang an einer Absprache beteiligt gewesen, dass Ihre Anhänger zu Kramp-Karrenbauer überlaufen sollen.

Spahn: Ich kenne keine Absprache und war auch nicht Teil einer solchen Absprache. Meine Unterstützer hatten von mir keine Empfehlung für ihr Votum im zweiten Wahlgang, auch nicht über zwei, drei, sechs oder acht Ecken. Die Delegierten haben eigenständig entschieden.

SPIEGEL ONLINE: Wann haben Sie erfahren, dass Ziemiak der Wunschkandidat als Generalsekretär war?

Spahn: Früh genug. Entscheidend ist auch nicht, wann ich das erfahren habe, sondern dass Paul Ziemiak sich diesen Posten zutraut. Und ich habe ihm von der ersten Sekunde an meine Unterstützung zugesagt.

SPIEGEL ONLINE: Wir fragen deshalb, weil die Generalsekretärs-Frage in Ihrer Partei zum Politikum geworden ist. Viele sind wütend auf Ziemiaks Lagerwechsel, die CDU wirkt gespalten.

Spahn: Nach einem intensiven Wahlkampf und einem so knappen Ergebnis ist doch klar, dass viele enttäuscht sind. Ich werbe aber dafür, jetzt zusammen zu stehen und die neue Parteiführung bestmöglich zu unterstützen.

SPIEGEL ONLINE: Es gibt seit dem Wochenende schon Austritte, manche Ortsverbände sind in Auflösung. Wie gefährlich ist der Frust der unterlegenen Merz-Anhänger für die Partei?

Spahn: Friedrich Merz hat viele Mitglieder mobilisiert. Und wo ein Momentum letztlich nicht zum Erfolg führt, gibt es Enttäuschung. Annegret Kramp-Karrenbauer wird das Motto des Parteitags, "Zusammenführen und zusammen führen" jetzt in die Tat umsetzen. Der Wettbewerb hat der Partei gut getan, aber jetzt kommt es darauf an, dass wir drei Kandidaten unsere Unterstützer auf das gemeinsame Ziel einschwören, als Union erfolgreich zu sein. Das gilt gerade für Friedrich Merz und mich, weil wir nicht gewonnen haben.

SPIEGEL ONLINE: Gab es Tricksereien gegen Merz auf dem Parteitag, wie von manchen Anhängern verbreitet wird?

Spahn: Ich habe diese Dinge auch gelesen, dass Mikrofone leise gestellt worden wären und so weiter. Aber ich glaube das nicht, und kann mir auch nicht vorstellen, dass Friedrich Merz das annimmt.

SPIEGEL ONLINE: Tut er unseres Wissens nach auch nicht. Aber eben enttäuschte Fans von ihm.

Spahn: Wenn man mit viel Emotion jemanden unterstützt und das Ergebnis dann nicht wunschgemäß ausfällt, dann sucht man halt nach Antworten. Das ist menschlich. Aber ich glaube nicht, dass es weiterhilft.

SPIEGEL ONLINE: Aber wie will man es schaffen, diese Enttäuschten wieder einzufangen?

Spahn: Ich habe schon auf dem Parteitag gesagt: Die Idee der Christdemokratischen Union CDU ist größer als jede und jeder Einzelne. Alle sollten sich inhaltlich einbringen, davon hängt unser gemeinsamer Erfolg ab.

SPIEGEL ONLINE: Viele von den Merz-Unterstützern haben Inhalte mit der Personalie verbunden.

Spahn: Dann sollen sie weiter für diese Inhalte innerhalb der CDU eintreten. Ja, es stimmt, dass wir wegen der Wahlen zu wenig Zeit für inhaltliche Debatten auf dem Parteitag hatten. Aber wir werden sie weiterführen, dafür habe ich auch in meiner Rede geworben. Klar ist allerdings auch: Am Ende muss man eine Entscheidung auch akzeptieren, wenn es eben nicht zur Mehrheit gereicht hat. Das haben Friedrich Merz und ich getan.

SPIEGEL ONLINE: Es gibt die Forderung, dass Merz ins Kabinett soll. Unterstützen Sie den Vorschlag?

Spahn: Ich werde weder ihm noch der Bundeskanzlerin hier Ratschläge erteilen.

SPIEGEL ONLINE: Hielten Sie es für richtig?

Spahn: Ich halte es für richtig, dass Friedrich Merz dabei bleibt. Er könnte uns in den Wahlkämpfen im nächsten Jahr sicher sehr helfen. Man muss aber auch nicht alles sofort unter dem unmittelbaren Eindruck eines solchen Parteitags klären.

SPIEGEL ONLINE: Dann versuchen wir es anders: Welche Rolle wünschen Sie sich künftig für Merz in der der CDU?

Spahn: Nochmal: Ich finde es wichtig, dass er uns erhalten bleibt. Ich werde ihn hier nicht in irgendeine Richtung drängen. Friedrich Merz hat schon auf dem Parteitag nach Bekanntgabe des Ergebnisses seine Unterstützer dazu aufgerufen, das Resultat zu akzeptieren und jetzt weiter am Erfolg der CDU mitzuarbeiten. Das war das richtige Signal. Wir sind doch alle drei angetreten, damit es für die CDU nach vorne geht. Im nächsten Jahr stehen Wahlen an, die für unsere Partei wirklich entscheidend sind, vor allem die in Sachsen, Thüringen und Brandenburg. Darum geht es.

SPIEGEL ONLINE: Mancher kritisiert jetzt, Merz zeige mit seinem Verhalten, dass es ihm eben nur um die Nummer eins ging. Ist dieser Vorwurf begründet?

Spahn: Auf den Regionalkonferenzen hat jeder von uns gesagt, was er im Falle einer Niederlage macht. Meine Mitbewerber haben anders als ich immer erklärt, dass sie dann keine führende Rolle in der Partei mehr ausüben werden. Entscheidend ist für mich, dass Friedrich Merz seinen Anhängern zugerufen hat: Akzeptiert das Ergebnis - und kümmert euch um den Erfolg der Partei. Und wie ich Friedrich Merz kenne, wird er das auch weiterhin tun. MIT-Chef Carsten Linnemann tut das ebenso. Das Thema Migration war ja nur eins der großen Streitthemen, das andere ist die große Sehnsucht nach einem klareren Profil in der Wirtschaftspolitik.

SPIEGEL ONLINE: Und was bleibt von dem Profil ohne Merz?

Spahn: Er ist ja nicht weg. Mit Carsten Linnemann, der auch Vizefraktionschef ist, haben wir eine starke Stimme dafür. Natürlich müssen wir weiter über dieses Thema sprechen und uns überlegen, was wir da besser machen können. Auch auf den neuen Generalsekretär Ziemiak kommt es an - und natürlich die Parteichefin. Wir sind ein Team.

SPIEGEL ONLINE: Stichwort Team: Wo sehen Sie Ihre künftige Rolle darin?

Spahn: Ich bin Bundesminister für Gesundheit. Da sehe ich uns nach neun Monaten im Amt auf einem guten Weg, Probleme offen anzusprechen - und sie dann auch zu lösen. Und genau diesen Weg sollten wir auch in der CDU gehen. Ich bin weiterhin Präsidiumsmitglied und werde mich entsprechend einbringen. Wir müssen gut regieren und als Partei die großen Zukunftsthemen angehen. Und ich will vor allem mit Blick auf den Osten dabei helfen, ein Aussteiger-Programm für AfD-Wähler zu schaffen. Ich sehe mich auch als Wahlkämpfer im kommenden Jahr.

SPIEGEL ONLINE: Und als Nervensäge? Sie haben ja auf dem Parteitag angekündigt, unbequem bleiben zu wollen.

Spahn: Das Wort Nervensäge stammt von Ihnen. Ich werde weiter sagen, was ich denke, und dazu stehen. Genau diese offene Art der Diskussion hat der Partei doch in den vergangenen Wochen so gut getan. Das zu erhalten, dabei will ich auf jeden Fall helfen.

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