Berlin. Mehr Festnahmen, weniger verletzte Polizisten - Der 1. Mai ist bis auf wenige Ausnahmen noch einmal deutlich friedlicher verlaufen.
Berlins neue Polizeipräsidentin Barbara Slowik hat sich zufrieden mit dem Verlauf des 1. Mai in der Hauptstadt gezeigt. „Unser Konzept ist aufgegangen, die Doppelstrategie hat getragen“, sagte Slowik der Deutschen Presse-Agentur. „Es scheint den linken Gewalttätern nicht mehr ganz so leicht zu fallen, Mitstreiter für Gewalttaten zu finden.“ Sie dankte in einer Mitteilung den Einsatzkräften für ihr "professionelles und umsichtiges Handeln".
Erstmals seit vielen Jahren blieb die sogenannte revolutionäre 1. Mai-Demonstration in Berlin-Kreuzberg weitgehend ohne Gewaltausbrüche. Auch die Zahl der Demonstranten sank. Laut Polizei kamen etwa 6000 Teilnehmer, im Vorjahr waren noch etwa 8000.
Die Polizei sprach von deutlich weniger Straftaten als 2017. Es seien in diesem Jahr auch kaum Einsatzkräfte verletzt worden, so Slowik. Für sie war es der erste 1. Mai-Einsatz, die Juristin ist erst seit drei Wochen im Amt.
Demos, Feste, Kundgebungen - Eindrücke vom 1. Mai in Berlin
Zahl der Festnahmen im "unteren zweistelligen Bereich"
Eine Sprecherin der Berliner Polizei sagte am Morgen auf Nachfrage der Morgenpost, in diesem Jahr werde es erstmals keine Pressekonferenz zum Einsatzgeschehen am 1. Mai geben. „Unser Ziel war es immer, Normalität zu erreichen“, so Polizeisprecher Winfrid Wenzel bereits am Dienstagabend. Der 1. Mai 2018 sei dazu ein großer Schritt gewesen.
Einzelheiten zum Einsatz gab die Polizei dann am Mittag in einer Mitteilung bekannt:
- Sommerfest der AfD: Bei dem Sommerfest der AfD in Pankow gab es Gegenproteste von mehreren hundert Teilnhmern. Dabei seien auch die Begleiter eines AfD-Abgeordneten angegriffen worden, was die Polizei unterbinden konnte. Ein Tatverdächtiger sei wegen Körperverletzung und Widerstands festgenommen worden.
- Myfest: Alle Versammlungen auf dem Myfest, das bis etwa 22 Uhr dauerte, verliefen störungsfrei. Dort feierten mehrere zehntausend Teilnehmer.
- MaiGörli: Im Zeitraum von 12 bis 23 Uhr feierten dort weit mehr als 10.000 Menschen. Kurz vor 17 Uhr seien wegen der Auslastung des Parks alle Eingänge des umzäunten Geländes geschlossen worden. Zwischenzeitlich seien auch die Musikdarbietungen unterbrochen worden. Die Polizei sprach 160 Platzverweise aus. Zudem seien mehrere Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. Dennoch, so die Polizei, sei die Veranstaltung nahezu störungsfrei verlaufen.
- 1. Mai im Grunewald: Angemeldet zu der Demonstration durch Grunewald waren 200 Teilnehmer. Allerdings kamen laut Polizei rund 3000. Bei dem Aufzug seien mehrere Autos, Hauswände, Zäune und Stromverteilerkästen beschädigt worden. Insgesamt habe man 68 Sachbeschädigungen, teils mit Farbspray, festgestellt. Dazu habe man sechs Tatverdächtige festgestellt.
- Revolutionäre 1. Mai Demo: Die Veranstaltung war wie im Vorjahr nicht angemeldet. Die Polizei sei durch die Aufrufe im Internet dennoch darauf vorbereitet gewesen. Startzeichen auf dem Oranienplatz sei offenbar das Abbrennen von Pyrotechnik und Nebeltöpfen gewesen. Die Zahl der Teilnehmer sei während des Zuges auf mehrere tausend angestiegen. Bei der Demonstration wurden mehrere Böller und Flaschen in Richtung der Polizei geworfen. Teile des Aufzugs hätten nach Erreichen des Endplatzes gewendet und seien ihren eigenen Teilnehmern engegengelaufen. Kurz vor 20 Uhr hätte sich die Kundgebung aufgelöst, die Teilnehmer hätten sich in verschiedene Richtungen entfernt.
Bei dem Aufzug seien mehrere nicht verbotene kurdische Fahnen gezeigt worden, daneben aber auch eine mit dem Bild des einstigen PKK-Führers Abdullah Öcalan. Dazu habe man beweissichere Aufnahmen gemacht und ein Ermittlungsverfahren wegen des Verstoßes gegen das Vereinsgesetz eingeleitet.
In den Abend- und Nachtstunden habe es mehrere Festnahmen von wiedererkannten Straftätern gegeben, denen Landfriedensbruch, Sachbeschädigung und der Wurf von Pyrotechnik vorgeworfen wird. Dabei sei es vereinzelt zu Widerstandshandlungen und Flaschenwürfen gekommen. - Die zahlreichen weiteren Kundgebungen und Veranstaltungen in Berlin seien störungsfrei verlaufen.
- Die Abend- und Nachtstunden seien ruhig verlaufen.
- Festnahmen: Die Polizei nahm insgesamt 103 Menschen fest, unter anderem wegen Landfriedensbruchs, Widerstandes und Sachbeschädigung. Zudem seien bislang knapp 200 Strafanzeigen gefertigt und zudem gewerberechtliche Ermittlungsverfahren eingeleitet worden.
- Einsatzkräfte: Insgesamt waren 5170 Polizisten im Einsatz, davon 1581 Unterstützungskräfte aus anderen Bundesländern und der Bundespolizei.
- Verletzte Polizisten: Insgesamt wurden 20 Einsatzkräfte leicht verletzt, zwei konnten ihren Dienst nicht fortsetzen. Ein Beamter erlitt ein Knalltrauma, ein weiterer eine Handverletzung, allerdings ohne Fremdeinwirkukng.
- Ermittlungsgruppe: Eine Ermittlungsgruppe 1. Mai nimmt nun die Tätigkeit auf und wertet das umfangreiche Video- und Fotomaterial aus, um weitere Straftäter zu überführen.
Der 1. Mai in Berlin im Protokoll
5300 Polizisten im Einsatz
Die Organisatoren der Revolutionären 1. Mai-Demo gaben die Zahl der Demonstranten in einer Mitteilung mit mehr als 15.000 an. Der Widerstand gegen die kapitalistischen Verhältnisse werde nicht nur am 1. Mai, sondern an jedem Tag gezeigt, hieß es. Kritik an der Polizei wurde nicht geäußert.
2017 waren bei Gewaltausbrüchen 38 Polizisten verletzt worden, es war bereits eine der niedrigsten Zahlen aller Jahre mit Ausschreitungen. 72 Randalierer waren festgenommen worden.
Tausende feiern bei Myfest und MaiGörli bis in die Nacht
Bei den Straßenfesten „Myfest“ und „MaiGörli“ in Kreuzberg feierten Zehntausende bis zum späten Abend. Das erstmals organisierte „MaiGörli“ im Görlitzer Park war schon am Nachmittag wegen Überfüllung geschlossen worden.
Sicher ist, dass die Stadtreinigung in Kreuzberg alle Hände voll zu tun hat, um die Berge von Müll und Batterien leerer Flaschen wegzuräumen. Die Wenigsten hielten sich an den getwitterten Wunsch der Polizei zu später Stunde: „Wenn jetzt noch alle ein bisschen Müll mitnehmen, dann sieht's schon fast wie neu aus.“
Wie die BSR am Mittwoch über Twitter mitteilte, waren 100 Beschäftigte und 45 Fahrzeuge im Einsatz. Die Reinigung an der Skalitzer Straße habe um 1 Uhr begonnen, auf dem Myfest um 2 Uhr. Die Reinigung des Görlitzer Parks dauere noch an (11 Uhr). Auch auf dem Myfest habe es wieder viel Partymüll gegeben. Alles in allem fielen am 1. Mai in Kreuzberg bislang rund 150 Kubikmeter Abfall an.
CDU-Politiker Dregger: Bürger erobern die Stadt zurück
Der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Burkard Dregger, hat sich über den Rückgang linker Gewalt. „Dass das MyFest immer mehr die Linksextremisten zurückdrängt, ist für mich wie eine Rückeroberung der Stadt durch die Bürger“, sagte der CDU-Politiker am Mittwoch dem RBB-Inforadio. Er hoffe, dass die Strategie der Polizei zu einer nachhaltigen Verbesserung der Sicherheitslage führen werde. Über das Sicherheitskonzept sei er sich mit Innensenator Geisel einig, betonte aber auch, dass die Polizei dafür ausreichend ausgestattet sein müsse.
Demonstration in Kreuzberg weitgehend ohne Gewalt
„MaiGörli“ und „Myfest“ machen Kreuzberg zur Partyzone
Kreativer Protest und Vandalismus bei Grunewald-Demo
Mehrere zehntausend Teilnehmer bei Gewerkschaftsdemos
dpa