Regierung unter Michael Müller (SPD) verabschiedet Empfehlung an Abgeordnetenhaus. Opposition: „Anschlag auf die direkte Demokratie“

Ein halbes Jahr hat der Berliner Senat geprüft. Nun ist der Beschluss gefasst: Die rot-rot-grüne Regierung unter Michael Müller (SPD) will den Volksentscheid zum Weiterbetrieb des Flughafens Tegel nicht umsetzen. Diese umstrittene Empfehlung an das Abgeordnetenhaus hat das Landeskabinett am Dienstag kurz vor Ostern beschlossen.

Eine „umfassende Folgenabschätzung“ habe ergeben, dass die rechtlichen, betriebswirtschaftlichen, finanziellen und stadtentwicklungspolitischen Folgen gegen eine Offenhaltung Tegels sprächen, hieß es in einer Mitteilung der Senatskanzlei. Dazu kämen die Auswirkungen auf Umwelt, Verkehr und Gesundheit. Das Abgeordnetenhaus solle zustimmend zur Kenntnis nehmen, dass der Beschluss im Volksentscheid nicht umgesetzt werden könne. Ein Weiterbetrieb des Flughafens Tegel wäre nur möglich, wenn Berlin die gemeinsame Landesplanung zwischen Berlin und Brandenburg aufgebe. Ein solcher Schritt sei aber „mit hohen inhaltlichen, zeitlichen und finanziellen Risiken belastet“ und deshalb für den Senat unverantwortbar, so der Senat.

Ein ehemaliger Bundesrichter lieferte das Gutachten

Dass der Wille von 56,4 Prozent der Wahlberechtigten nicht umgesetzt werden soll, ist keine Überraschung. Bereits Mitte Januar war das Ergebnis eines Gutachtens bekannt gegeben worden, das der ehemalige Bundesverwaltungsrichter Stefan Paetow im Auftrag des Regierenden Bürgermeisters anfertigte.

Der Rechtsexperte kam darin auch zu dem Schluss, dass der Weiterbetrieb Tegels nur dann rechtssicher möglich wäre, wenn die Kapazität des BER dauerhaft nicht ausreicht. Dafür gibt es nach Paetows Auffassung aber keine Indizien: In dem von der Flughafengesellschaft vorgestellten „Masterplan 2040“ zum BER-Ausbau werde schlüssig dargestellt, dass die bis zum Jahr 2040 erwartete Zahl von 55 Millionen Passagieren bewältigt werden könne. Gescheitert waren auch die Gespräche mit dem Bund und dem Land Brandenburg. Beide Flughafen-Mitgesellschafter haben sich klar dagegen ausgesprochen, Tegel nach der für den Oktober 2020 geplanten Eröffnung des Hauptstadtflughafens BER offen zu halten. Der Senat plant auf dem riesigen Gelände Tausende von Wohnungen, auch eine Hochschule und Unternehmensansiedlungen sind dort vorgesehen.

So emotional die Debatte im vorigen Jahr um Tegel geführt worden war, so leidenschaftlich klangen am Dienstag auch die Reaktionen der Opposition. Das Gutachten war den Fraktionen mit der Bitte um Stellungnahme übersandt worden. FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja nannte den Beschluss „den niedergeschriebenen Beweis, wie Rot-Rot-Grün die Entscheidung von mehr als einer Million Berlinern von Beginn an verachtet hat“. Er war das Gesicht der Initiative „Berlin braucht Tegel“ und hatte den Volksentscheid mitinitiiert. Dem Regierenden Bürgermeister warf Czaja vor, sich in den vergangenen Monaten „lieb- und lustlos um die Umsetzung des Volksentscheids gekümmert zu haben“.

Auch die anderen Oppositionsfraktionen sparten nicht mit Kritik. „Der Senat tritt den Wählerwillen mit Füßen“, kritisierte CDU-Fraktionschef Florian Graf scharf. „Die heutige Erklärung des rot-rot-grünen Senats, den Volksentscheid Tegel nicht umsetzen zu wollen, ist eine Frechheit und ein Rückschlag für die Entwicklung der wachsenden Metropole“, erklärte Graf. Er sprach von einem „Anschlag auf die direkte Demokratie“. CDU-Generalsekretär Stefan Evers vertrat erneut die Auffassung, das Gutachten zeige durchaus auf, dass der Weiterbetrieb Tegels möglich sei. Der AfD-Politiker Frank-Christian Hansel konstatierte: „Die Sonntagsreden von mehr Bürgerbeteiligung werden endgültig als leeres Geschwafel entlarvt.“

Die FDP aber gibt nicht auf: In Brandenburg unterstützt sie mit den Freien Wählern eine Unterschriftensammlung für Tegel. Ziel ist wieder ein Volksentscheid. FDP-Fraktionschef Czaja gibt unbeeindruckt die Parole aus: „Berlin braucht Tegel – und Berlin wird Tegel behalten.“