Berlin. Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) will, dass Gefangene öfter vorzeitig entlassen werden. Kritik kommt von der CDU.

Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) will erreichen, dass Strafgefangene häufiger vor der Verbüßung ihrer vollen Haftstrafe entlassen werden. „Vorzeitige Entlassungen nach einer Verbüßung von zwei Dritteln der verhängten Strafe würden nicht nur dazu beitragen, dass Menschen früher ein straffreies Leben in Freiheit führen können, sondern auch unsere Gefängnisse entlasten“, sagte Behrendt der Berliner Morgenpost.

Berlins Justizsenator Dirk Behrendt (Bündnis 90/Die Grünen)
Berlins Justizsenator Dirk Behrendt (Bündnis 90/Die Grünen) © dpa | Soeren Stache

Nach Angaben der Justizverwaltung ist Berlin bei vorzeitigen Entlassungen bundesweit zurzeit das Schlusslicht. Einer Behördenstatistik zufolge wurden in der Hauptstadt im vergangenen Jahr (bis November) 244 Gefangene frühzeitig auf freien Fuß gesetzt. Das entspricht einer Quote von 6,8 Prozent. Im Durchschnitt aller Bundesländer lag die Quote bei 14,3 Prozent, in Bayern bei 20, in Bremen sogar bei etwas mehr als 25 Prozent.

„Warum das so ist, wollen wir jetzt herausfinden“, sagte Behrendt. Im Rahmen eines Forschungsprojektes sollen Wissenschaftler des kriminologischen Dienstes der Justizverwaltung dazu im kommenden Jahr eine Analyse vorlegen. Dann könnten weitere Maßnahmen ergriffen werden. „Berlin würde mit einer Steigerung der vorzeitigen Entlassungen mit den anderen Bundesländern gleichziehen“, sagte Behrendt.

Gerichte können entscheiden, ob Häftlinge früher frei kommen

Laut Strafgesetzbuch kann eine Haftstrafe nach zwei Dritteln zur Bewährung ausgesetzt werden. Voraussetzung dafür ist, dass dies „unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann“. Die Entscheidung trifft ein Gericht. Zu berücksichtigen sind unter anderem die Persönlichkeit des Täters, das Vorleben, die Umstände der Tat und das Verhalten im Gefängnis. Bei Ersttätern kann die Haft unter bestimmten Bedingungen auch schon nach Verbüßung der Hälfte der verhängten Strafe ausgesetzt werden.

Warum in Berlin vergleichsweise wenige Gefangene vorzeitig entlassen werden, ist unklar. Denkbar sei, dass Berliner Richter besonders vorsichtig seien und vergleichsweise restriktiv über die entsprechenden Anträge von Gefangenen befinden würden, heißt es in Justizkreisen. Es sei aber auch möglich, dass Richter in anderen Bundesländern in der Regel höhere Ursprungsstrafen verhängten. Höhere Strafen könnten möglicherweise mehr Spielraum für vorzeitige Entlassungen schaffen. Dies seien aber nur Vermutungen. Gesicherte Erkenntnisse gebe es nicht, heißt es.

97 Prozent aller Haftplätze sind zurzeit belegt

Die Zahl der vorzeitigen Entlassungen zu erhöhen, könnte Druck von den Berliner Haftanstalten nehmen. Im Männervollzug sind zurzeit 97 Prozent der Plätze belegt. Die Justizvollzugsanstalt (JVA) Moabit ist mit 101 Prozent Auslastung zurzeit sogar überbelegt. Neue Zellenplätze ließen sich nur mit einem erheblichen zeitlichen Vorlauf schaffen. Justizsenator Behrendt lehnt den Bau neuer Anstalten zudem ab und setzt auf sinkende Gefangenenzahlen.

So sollen Verurteilte, die nur deshalb in Haft sind, weil sie eine Geldstrafe nicht bezahlen konnten, ersatzweise zu Arbeiten herangezogen werden. Behrendt plädiert zudem dafür, das Schwarzfahren im öffentlichen Personenverkehr nur noch als Ordnungswidrigkeit zu ahnden.

Die CDU kritisierte den Plan für mehr vorzeitige Entlassungen. „Das kann aus grundsätzlichen rechtspolitischen Erwägungen nicht richtig sein“, sagte der rechtspolitische Sprecher der Berliner CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Sven Rissmann. Vorzeitige Entlassungen könne man nicht von oben anordnen, ein Richter müsse darüber stets im Einzelfall entscheiden. Behrendts Initiative sei „ein durchschaubarer Versuch, Engpässe bei den Haftraumkapazitäten und beim Personal durch die Hintertür und damit sachfremd in den Griff zu bekommen“.

Justizsenator Behrendt wies die Bedenken als unbegründet zurück. „Es geht nicht darum, Straftäter einfach so freizulassen“, sagte er. Die Entscheidung liege immer bei einem Gericht. Zunächst gehe es darum, herauszufinden, warum es in Berlin weniger vorzeitige Entlassungen gebe als in anderen Bundesländern.

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