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Für die Wasserstadt Spandau hat der Senat dem Bezirk die Planung entzogen.

© Kitty Kleist-Heinrich

Wohnungsnot in Berlin: Die Stadtentwicklung steckt in der tiefsten Krise seit dem Mauerfall

Von echter Bürgerbeteiligung kann nicht die Rede sein, die Wohnungsnot wird immer größer. Und die Berliner Politik? Handelt nicht. Ein Kommentar.

Unberechenbar ist die Politik in Berlin, wo es um die Entwicklung der Stadt geht, um ihre Gestaltung und Bebauung. Gegenseitiges Misstrauen belastet das Verhältnis des Senats zu den Menschen, zu den Bezirken und zur Wohnungswirtschaft. Das wichtigste Gut einer wachsenden Region, Vertrauen in die Behörden und Rechtssicherheit, es wird verspielt. Das Versprechen, dass die Berliner nicht zu Opfern des rasanten Wandels werden, sondern mitgestalten und teilhaben können am Wachstum der Metropole, es wird enttäuscht.

Die Stadtentwicklung in Berlin steckt in der tiefsten Krise seit dem Fall der Mauer. Es wird einsam um Senatorin Katrin Lompscher. Im Blankenburger Süden fühlen sich Anwohner getäuscht, weil das Projekt über Nacht um die doppelte Wohnungszahl anwuchs. In Spandau entreißt der Senat dem Bezirk die Planung der Wasserstadt, wegen eines Streits um Rechtsauffassungen. Statt mit Bürgern, Verbänden, Wirtschaft und Verwaltung gemeinsam ein Leitbild für Berlin 2040 zu entwerfen, das zur Matrix der Entwicklung wird, kämpft die Politikerin der Linken mit Regeln und Regulierungen gegen die Macht des Marktes.

Im Umland sind die Bauherren willkommen

Die Firmen ziehen weiter, bauen die Wohnungen, die die Stadt braucht, im Umland. Die Zahl der in Brandenburg genehmigten Wohnungen stieg im vergangenen Jahr um 20 Prozent. Dort sind Bauherren willkommen, weil die Gemeinden ihnen geben, was sie brauchen: Bauland und Planungssicherheit. Aber in Berlin fehlen die Wohnungen, Schätzungen zufolge 170000, Tendenz steigend.

Hier wächst die Not, weil Senat und Bezirke ihre Ziele verfehlen. Statt mehr Wohnungen genehmigen die Ämter weniger, vor allem die Zahl der günstigen kommunalen Wohnungen schrumpft. Das verschärft den Verteilungskampf um das knappe Gut, Entmietungen, lange Schlangen von Bewerbern bei Besichtigungen freier Wohnungen – es gewinnt, wer am meisten zahlt.

Es braucht ein Bekenntnis zum Neubau

Der chronische Mangel an Wohnraum lässt sich nicht beheben durch das Auffüllen von Baulücken unter Wahrung von Erbhöfen und dem Ankauf von ein paar hundert privater Wohnungen. Es braucht einen Gesellschaftsvertrag, ein Bekenntnis zum Neubau, und die Entschlossenheit, ihn durchzusetzen. Praktisch heißt das, neue Siedlungen, Verkehr und Bildung müssen gemeinsam geplant werden von einem Gremium unter Leitung des Regierenden Bürgermeisters, damit Entscheidungen fallen. Der Blick muss, vom Zentrum ausgehend, über die Landesgrenzen hinweg reichen, denn es gilt, auch die Pendlerströme zu lenken, Zersiedlung zu begrenzen und soziale Brennpunkte wie die Banlieues in Paris erst gar nicht entstehen zu lassen.

Geht nicht, gilt nicht – vor 25 Jahren ging es auch. Mitte der 1990er Jahre entstanden in Berlin 33.000 Wohnungen im Jahr, doppelt so viele wie heute. Neue Siedlungen wuchsen in Karow, in Spandau, überall in der Stadt. Davon profitiert die Stadt bis heute, weil nun Pläne von damals vollendet werden. Und weil der damalige Bauboom die günstigen Mietwohnungen im Bestand von heute schuf. Das geschah unter Beteiligung der Bürger, in den Debatten des Stadtforums. Dort wurden die Entscheidungen vorbereitet, die der Senat traf und die Verwaltung umsetzte. Grundstücke sind da, damals wie heute, aber planen und bauen muss man auch wollen.

Mut und Mannschaft fehlen

Doch heute fehlen dem Senat der Mut und die Mannschaft, die es anpackt. In der Koalition wird geraunt, die Senatorin schotte sich ab mit einem Kreis von Getreuen, resistent gegen Beratungen. Der Regierende Bürgermeister stößt in die Lücke, sucht das Gespräch mit den Firmen, sichert Baurecht zu für blockierte Projekte in kürzeren Fristen – als Gehilfe von der Senatorin Gnaden.

Die SPD ist unter Müller eben nur der eine von drei kleinen Partnern in der rot-rot-grünen Koalition, der größte zwar, aber die Linke ist kaum kleiner. Da braucht es Mut, die Personalfrage zu stellen. Müller verbietet sich das. Aus Sorge um die eigene Macht. Er verwaltet lieber den Mangel.

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