Berlin. Die Vorwürfe betreffen Ungereimtheiten beim Berliner Flüchtlingsmanagement. Ein Ende der Ermittlungen ist nicht abzusehen.

Seit mehr als einem Jahr ermittelt die Berliner Staatsanwaltschaft gegen den Chef der Senatskanzlei, Björn Böhning (SPD), und leitende Mitarbeiter der Unternehmensberatung McKinsey. Die Vorwürfe betreffen Vorteilsnahme und Vorteilsgewährung im Zusammenhang mit einem Beratervertrag zum Berliner Flüchtlingsmanagement. Er könne derzeit keine Aussage treffen, wann die Ermittlungen voraussichtlich beendet werden, sagte dazu Martin Steltner, Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft, der Morgenpost.

Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft sind auch Gegenstand einer parlamentarischen Anfrage des stellvertretenden CDU-Fraktionsvorsitzenden Stefan Evers. In ihrer Antwort teilte Justizstaatssekretärin Martina Gerlach ebenfalls lediglich mit, die Ermittlungen dauerten an. Auf Evers' Frage, wie der Senat die lange Dauer des Verfahrens bewerte, "insbesondere hinsichtlich der damit einhergehenden Belastung für das Ansehen des Chefs der Senatskanzlei und des Senats insgesamt", ging die Staatssekretärin nicht ein.

Eine Bewertung, ob es sich in diesem Fall um das normale Ermittlungstempo der Staatsanwaltschaft handele, sei nicht möglich, betonte Gerlach. Dazu fehlten valide Vergleichsdaten. Von einem "normalen" Ermittlungstempo könne aber, insbesondere bei komplexen Verfahren, immer dann ausgegangen werden, wenn eine "fortlaufende fachlich qualifizierte Bearbeitung" erfolge. Martin Steltner erklärte, die lange Dauer sei bei einem solchen Ermittlungsverfahren nicht unüblich.

Umstrittener Vertrag zwischen Senatskanzlei und McKinsey

Im März 2016 wurde Böhning von der damaligen Opposition aus Grünen und Linken angegriffen, Kritik wurde auch vom damaligen Koalitionspartner CDU laut. Hintergrund war ein umstrittener Vertrag, den die Senatskanzlei mit der Unternehmensberatung McKinsey ohne Ausschreibung abgeschlossen hatte, um sich Unterstützung beim Erstellen des Masterplans für die Integration der Flüchtlinge zu holen. Eine wichtige Frage war dabei: Hat Böhning darauf Einfluss genommen, dass McKinsey den ehemaligen Justizstaatssekretär Lutz Diwell (SPD) als externen Berater für den Masterplan beschäftigte? Zuvor hatten sowohl McKinsey als auch Diwell pro bono, also ohne Bezahlung, bei der Bewältigung der Aufnahme und Integration von Flüchtlingen geholfen.

Böhning und der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) wiesen die Vorwürfe seinerzeit zurück. Beide erklärten, nichts von dem Vertrag zwischen McKinsey und Diwell gewusst zu haben. Im April 2016 erklärte die Staatsanwaltschaft, sie prüfe, ob sie ein Ermittlungsverfahren aufnehme. Anlass war eine Strafanzeige wegen des Verdachts der Korruption und Untreue. Erst acht Monate später, Anfang Dezember, bestätigte die Staatsanwaltschaft dann, ein förmliches Ermittlungsverfahren gegen den Chef der Senatskanzlei und verantwortliche Mitarbeiter bei McKinsey eröffnet zu haben, um die erhobenen Vorwürfe der Vorteilsnahme und Vorteilsgewährung zu überprüfen.

"Aus politischen Gründen getrickst und verzögert"

"Ich frage mich, wie oft die Ermittlungen gegen den Chef der Senatskanzlei noch Geburtstag feiern müssen, bis endlich ein Ergebnis präsentiert wird. Wenn nichts dran ist an den Korruptionsvorwürfen, dann hätte die Staatsanwaltschaft das Verfahren längst einstellen müssen. Man gewinnt den Eindruck, dass hier aus politischen Gründen getrickst und verzögert wird", sagte dazu Stefan Evers der Berliner Morgenpost. Sven Kohlmeier, rechtspolitischer Sprecher der SPD-Abgeordneten, kritisiert die Dauer staatsanwaltschaftlicher Ermittlungsverfahren hingegen in Berlin als generell zu lang. Das sorge vielfach für einen Verlust von Vertrauen in den Rechtsstaat.

Evers beantwortete Anfrage ist noch nicht veröffentlicht, sie liegt der Berliner Morgenpost exklusiv vor. Der CDU-Fraktionsvize wollte auch wissen, wie viele Strafanzeigen in den vergangenen Jahren wegen Verdachts auf Vorteilsgewährung oder Vorteilsnahme gegen Mitarbeiter der Berliner Verwaltung oder Mitglieder des Senats gestellt wurden. Auch darauf bekam er keine Antwort. Im Aktenverwaltungsprogramm der Staatsanwaltschaft seien zwar die Straftatbestände identifizierbar, nicht aber, ob die Beschuldigten der Verwaltung oder gar dem Senat angehören, erklärte Staatssekretärin Gerlach.