Nach den anonymen Vorwürfen zu den Zuständen soll offenbar ein externer Sachverständiger zur Prüfung hinzugezogen werden.

Eigentlich beschäftigt sich Victoria Kreuzer als Jugend- und Auszubildendenvertretung mit dem Polizeinachwuchs. Sie merkt früh, wenn etwas schiefläuft an der Polizeiakademie in Ruhleben. In den vergangenen Wochen, als die Diskussion um die Berliner Polizei-Azubis immer heftiger wurde, war sie eine gefragte Ansprechpartnerin.

Am Montag berichtete sie den Abgeordneten im Innenausschuss gemeinsam mit Dozenten, Personalvertretern und Auszubildenden, wie Berlins Polizeinachwuchs tickt. Sie erzählte von Auffälligkeiten – vor allem bei den sehr jungen Polizeibewerbern, vom hohen Krankenstand unter den Lehrern an der Akademie und der ausbaufähigen Betreuung der Auszubildenden. „Es wird niemand als Polizist geboren. Wir müssen sie zu guten Polizisten machen“, sagte sie.

Neben Victoria Kreuzer saß Margret Geuting – mit Ende 30 eine schon etwas ältere Polizeischülerin und Klassensprecherin. Sie sagte, ihre ebenfalls älteren Mitschüler fühlten sich zu Unrecht kritisiert und in den Medien pauschal negativ dargestellt. Die Ausbildung sei praxis- und lebensnah, und ihre Mitschüler seien hoch motiviert.

Anonyme Vorwürfe zu den Zuständen an der Polizeiakademie hatten in den vergangenen Wochen für zahlreiche Diskussionen gesorgt. Die Rede war unter anderem von Disziplinlosigkeit, Lernverweigerung, schlechtem Deutsch und Rechtschreibproblemen in einer Klasse mit vielen Schülern aus Einwanderer­familien.

13 Polizeischüler innerhalb eines Jahres entlassen

Der Dozent und Personalvertreter Thorsten Schleheider berichtete, es komme vor, dass Bewerber jugendtypische Straftaten begangen hätten: Graffiti-Sprayen, Diebstähle, erste Kontakte mit Drogen, Fahren ohne Führerschein mit Mofas oder eine Schlägerei. „Da schauen wir natürlich genauer hin wegen der charakterlichen Eignung und besprechen das.“ Folge sei meist ein intensiveres persönliches Gespräch. In den vergangenen zwölf Monaten seien in dem Zuge davon 13 Polizeischüler entlassen worden.

Der bekannte Psychologe und arabischstämmige Deutsch-Israeli Ahmad Mansour, der als Gastdozent an der Polizeiakademie lehrt, forderte dringend eine differenzierte Darstellung der Schwierigkeiten, die auch manche jungen türkisch- oder arabischstämmigen Polizeischüler betreffen. „Ich finde es sehr problematisch, wenn man Menschen mit Migrationshintergrund als Gefahr sieht. Genauso falsch ist es, die Vorwürfe einfach nur als ausländerfeindlich zu bezeichnen.“ Das sei viel zu pauschal, sagte Mansour und nannte explizit Innensenator Andreas Geisel (SPD) als Beispiel.

Mansour sagte, es gebe im Durchschnitt pro Klasse einen Schüler, „bei dem ich Bauchschmerzen habe“. Das könne ein deutschstämmiger Polizist mit einer sehr rechtslastigen und ausländerfeindlichen Einstellung sein. Oder ein junger Mann mit türkischer oder arabischer Herkunft, der frauenfeindliche oder antisemitische Meinungen vertrete. Beides komme vor und sei nicht zu akzeptieren.

Der Leiter der Polizeiakademie, Jochen Sindberg, verwies auf die Reformen, die in den vergangenen Jahren umgesetzt wurden. „Die gesamte Organisation wurde infrage gestellt“, so Sindberg. In den vergangenen Jahren habe es einen kompletten Philosophiewechsel an der Schule gegeben. Man sei weg von einem hierarchischen System zu einem handlungsorientieren Lernen gegangen. „Wir begegnen den Auszubildenden auf Augenhöhe“, sagte Sindberg. Allerdings räumte der Akademieleiter auch ein, dass man noch nicht am Ende des Prozesses angekommen sei.

Zur Aufarbeitung der aktuellen Vorwürfe um die Polizeiakademie soll nun offenbar ein externer Sachverständiger hinzugezogen werden. Entsprechende Andeutungen machte Innenstaats­sekretär Torsten Akmann. Kurzfristig soll die Polizeiakademie auch 17 zusätzliche Stellen bekommen.

Der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Burkard Dregger, signalisierte am Rande der Ausschusssitzung Zustimmung zu den Plänen der Innenverwaltung. Einen Untersuchungsausschuss, wie ihn die FDP etwa fordert, bezeichnete Dregger im Gespräch mit der Berliner Morgenpost als „Ultima Ratio“.

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