Berlin. Der Stellenabbau bei Siemens trifft Berlin hart. Betroffen sind das Dynamowerk in Siemensstadt und das Gasturbinenwerk im Moabit.

Die Pläne von Siemens zu Stellenabbau und Standortschließungen treffen Berlin hart. An seinem weltweit größten Produktionsstandort will der Konzern 900 Arbeitsplätze streichen. Das entspricht jeder elften Stelle in der Hauptstadt. Die Fertigung im 111 Jahre alten Dynamowerk in Siemensstadt soll aufgegeben und nach Mülheim an der Ruhr (NRW) sowie Erfurt (Thüringen) verlagert werden. Im Gasturbinenwerk in Moabit plant der Vorstand um Siemens-Chef Joe Kaeser den Abbau von 300 der 2300 Jobs.

Weltweit streicht Siemens in den kommenden drei Jahren 6900 Arbeitsplätze, davon die Hälfte in Deutschland. Neben Berlin leiden auch andere ostdeutsche Standorte besonders. So werden im Zuge der Neuordnung der Energie- und Gassparte die Werke in den sächsischen Städten Görlitz (720 Arbeitsplätze) und Leipzig (200) geschlossen. In Erfurt wird über einen Verkauf nachgedacht. In der Division Antriebe geht es um insgesamt 760 Arbeitsplätze. Diese sollen vor allem in Berlin entfallen, wo 580 Jobs im Dynamowerk akut bedroht sind. An der Nonnendammallee sollen nur einige Ingenieure und Vertriebsmitarbeiter verbleiben.

Die IG Metall kündigte harten Widerstand an. „Wir lassen uns von Joe Kaeser nicht den Industriestandort Berlin zerstören“, sagt Klaus Abel, erster Bevollmächtigter der IG Metall Berlin. „Vor einer Woche verkündet Joe Kaeser ein Traumergebnis. Und trotz 9,7 Prozent Ergebnismarge will er 1000 Arbeitsplätze in Berlin vernichten. Das ist fahrlässig“, sagte Abel.

Siemens-Personalchefin Janina Kugel begründete die „Strukturanpassungen“ mit dem massiven Einbruch auf einzelnen Märkten. Diese hätten zu Überkapazitäten geführt. So könnten weltweit derzeit pro Jahr 400 große Gasturbinen gefertigt werden, zuletzt wurden aber nur 120 bestellt. Die Antriebssparte leide darunter, dass die Abnehmer großer elektrischer Motoren und Dynamos ihre Kapazitäten nicht ausweiten. „Es brennt lichterloh auf dem Markt, wir müssen extrem schnell reagieren“, sagte Kugel und kündigte an, mit den Arbeitnehmervertretern über die Abbaupläne verhandeln zu wollen.

Sie setze zunächst auf freiwillige Vereinbarungen oder Beschäftigungsgesellschaften. Aber auch betriebsbedingte Kündigungen wollte die Managerin nicht ausschließen. Diese sind laut eines Vertrages zwischen Siemens und den Arbeitnehmervertretern ausgeschlossen, es gebe jedoch eine Öffnungsklausel, sagte Kugel.

Die Belegschaftsvertreter zeigten am Donnerstag wenig Neigung, mit dem Vorstand über die vorgelegten Pläne zu verhandeln. „Wir werden uns das nicht gefallen lassen“, sagte Predrag Savic, Betriebsratsvorsitzender im Dynamowerk. Missmanagement habe dem Werk geschadet. Mit vier Werksleitern in vier Jahren könne man jede Fabrik herunterwirtschaften, kritisierte der Metaller. Die Mitarbeiter hätten innovative Ideen und Produkte entwickelt, über deren Realisierung sie mit dem Management reden wollten. „Wir werden unsere Heimat nicht kampflos aufgeben“, sagte Savic. An diesem Freitag ist auf der Nonnendammallee eine große Kundgebung geplant.

Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) forderte im Abgeordnetenhaus Siemens auf, für die Standorte eine Perspektive zu entwickeln, etwa in Forschung und Entwicklung. Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) sagte die Unterstützung der Landesregierung zu, um die Standorte auch mit den Mitteln der Wirtschafts- und Innovationsförderung zu stärken. Die CDU-Landesvorsitzende Monika Grütters sprach von einem „enormen Verlust für unsere Stadt und den Industriestandort“.

Siemens hat zu Stellenstreichung und Standortschließungen eine Pressemitteilung herausgegeben mit dem Titel "Siemens stellt sich strukturellem Marktwandel und stärkt globale Wettbewerbsfähigkeit". (Direkt zur Mitteilung im Wortlaut auf der Website des Unternehmens)

Siemens und seine Berliner Werke

Siemens wurde 1847 in Berlin gegründet. Die deutsche Hauptstadt ist mit 11.600 Mitarbeitern (Stand: 30. September) der größte Produktionsstandort des Münchner Elektrokonzerns. Ein Überblick über die Betriebe:

Gasturbinenwerk: Die Fabrik ist bekannt für den Bau von Großturbinen mit bis zu 400 Megawatt Leistung vor allem für Gaskraftwerke. In der Huttenstraße im Stadtteil Moabit werden die Anlagen auch entwickelt sowie Service und Vertrieb organisiert. Das Werk hat 3700 Beschäftigte, mehr als die Hälfte davon Ingenieure. Der jüngste Großauftrag aus Ägypten für 24 Großturbinen ist abgearbeitet. Die sinkende Nachfrage bringt das Werk in Bedrängnis. Es droht ein Stellenabbau.

Dynamowerk: Rund 870 Mitarbeiter hat der 111 Jahre alte Standort in Berlin-Siemensstadt. Sie stellen riesige Elektromotoren her - für die weltweite Öl-, Gas- und Chemieindustrie, Förderanlagen im Bergbau, Walzwerke und Schiffe. Außerdem werden hier Windkraftanlagen und Generatoren entwickelt. Wegen der schlechten Auftragslage droht dem Dynamowerk die Schließung. Der Betriebsrat weist auf die technologische Spitzenposition hin und sieht Chancen, mit neuen, effizienteren Motoren im Geschäft zu bleiben.

Schaltwerk: Hier entstehen Schaltanlagen und -technik für Stromnetze, sowohl für Hoch- als auch für Mittelspannung. 3250 Mitarbeiter zählt das Schaltwerk, davon sind die Hälfte in der Fertigung angesiedelt, 30 Prozent in der Verwaltung und 20 Prozent in Forschung und Entwicklung. Vermutlich kaum Arbeitsplätze gefährdet.

Messgerätewerk: Es gehört zu den führenden Anbietern von digitaler Schutztechnik für Energieversorgungs- und Industrieunternehmen. Die rund 1000 Mitarbeiter entwickeln und produzieren rund 90 Prozent der Siemens-Geräte für Schutz- und Stationsleittechnik, die für Stromverteilung benötigt wird. Der Betriebsrat befürchtet die Verlagerung von Teilen der Produktion nach Indien.

Bahntechnik: Rund 830 Siemensianer in Berlin sind mit der Planung und Verwirklichung von Eisenbahnprojekten beschäftigt, etwa mit Signaltechnik, Weichenstellsystemen, Zugsicherung und Bahnübergängen.

Niederlassung: In der Berliner Siemens-Niederlassung sind 1400 Mitarbeiter von allem für den Kundenkontakt zuständig. Sie arbeiten zum größten Teil in der Montage und im Vertrieb, andere auch in Service und Marketing.

Sonstiges: In Siemens-Zentraleinheiten, Unterstützungsfunktionen und Projektmanagement sind außerdem 570 Mitarbeiter beschäftigt.

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