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Ende Juli lebten 40 528 abgelehnte Asylbewerber in Berlin. Im Jahr 2016 wurden insgesamt 1820 Personen abgeschoben. Das hat knapp 1,1 Millionen Euro gekostet.

© picture alliance / Sebastian Wil

Umgang mit Asylverfahren: Berlin schiebt kaum ab

Opposition und Richter nennen das Verhalten des Senats rechtsstaatswidrig. Doch die Innenverwaltung weist die pauschale Kritik zurück.

Von Fatina Keilani

Die Zahl der vollziehbar Ausreisepflichtigen hat sich in Berlin weiter erhöht, die Zahl der Abschiebungen ist weiter gesunken. Das geht aus einer noch unveröffentlichten parlamentarischen Anfrage des FDP-Innenpolitikers Marcel Luthe hervor. Luthe fragt die Zahlen regelmäßig ab. Zum 31. März waren demnach 11.417 Personen in Berlin vollziehbar ausreisepflichtig, die jedoch nicht ausgereist oder abgeschoben worden sind. Zum 31. August waren es 11.426. Abschoben wurden im Juli 32, im August 150 Personen; im ganzen Jahr 1184.

Auf die Frage, woran – außer am politischen Willen – die Abschiebungen scheitern, reagierte die Innenverwaltung ungehalten. „Der Vorwurf, es mangele an Willen, ist absolut haltlos und vollkommen unangebracht“, teilte Sprecher Martin Pallgen mit. „Wer diesen in dieser pauschalen Form äußert, bedient das Geschäft der Populisten.“ Im Gegenteil, meint der CDU-Innenpolitiker Burkard Dregger: „Wer nicht abschiebt, bedient die Populisten.“ Der Senat habe im Koalitionsvertrag angekündigt, Abschiebungen zu vermeiden – der Mangel an politischem Willen liege auf der Hand.

Viele bleiben ohne Recht - und ohne Perspektive

Innenverwaltungssprecher Pallgen verweist darauf, dass es auch bei Ausreisepflichtigen zahlreiche Umstände gebe, die eine Abschiebung verzögerten oder unmöglich machten, etwa ärztlich bescheinigte Reiseunfähigkeit, kein Pass, nicht geklärte Identität, fehlende Rücknahmebereitschaft der Herkunftsstaaten oder dass Personen am Tag der Abschiebung nicht an ihrer Anschrift angetroffen würden. Laut AfD-Innenpolitiker Karsten Woldeit ist das falsch – wenn jemand vollziehbar ausreisepflichtig sei, lägen gerade keine solchen Abschiebungshemmnisse mehr vor, so Woldeit. „Indem man so handelt, höhlt man den Rechtsstaat aus, denn man handelt nicht nach Recht und Gesetz, und den Menschen, deren Asylantrag abgelehnt wurde, tut man damit auch keinen Gefallen, denn sie haben hier keine Perspektive“, sagte Woldeit.

Auch aus der Richterschaft des Verwaltungsgerichts ist Verdruss zu hören. „Wir entscheiden das bis zur Rechtskraft durch, und dann wird es nicht vollzogen“, sagt ein Richter. Das Handeln des Senats sei im Kern rechtsstaatswidrig.

40 528 abgelehnte Asylbewerber lebten Ende Juli in Berlin

Ähnlich äußert sich die FDP. „Mit der weiter steigenden Zahl der vollziehbar Ausreisepflichtigen etwa aus Tschetschenien, Serbien oder dem Libanon, die nach gerichtlicher Prüfung kein Aufenthaltsrecht haben, dokumentiert der Senat erneut seinen Unwillen, rechtsstaatliche Entscheidungen durchzusetzen“, kritisiert Luthe und sieht ebenfalls den Senat den Populisten in die Hände spielen: „Wer freiwillig und ohne Parlamentsbeschluss 100 Millionen Euro ausgibt, mit denen man Integration und die Bekämpfung der Armut fördern könnte, spaltet diese Gesellschaft.“ So viel koste es, die Menschen hier zu behalten. Erst kürzlich hatten drei Senatoren bei einer gemeinsamen Pressekonferenz beklagt, dass durch die Langsamkeit des Bundesamts für Flüchtlinge bei Klageverfahren erhebliche Mehrkosten fürs Land entstünden.

Ende Juli lebten 40 528 abgelehnte Asylbewerber in der Stadt. Im Jahr 2016 wurden insgesamt 1820 Personen abgeschoben. Das hat knapp 1,1 Millionen Euro gekostet, wie aus Woldeits jüngster, noch unveröffentlichter Anfrage hervorgeht.

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