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Familiennachzug stürzt Koalitionsverhandlungen in die Krise

Beim Thema Flüchtlingspolitik wird heftig gestritten

Wieder ist es die Flüchtlingspolitik, die die Partner spaltet. Ralf Stegner und Andreas Scheuer sollen bei den Koalitionsverhandlungen aneinandergeraten sein. Die SPD will offenbar mehr Kontingente, als in den Sondierungen vereinbart.

Quelle: WELT/ Christina Lewinsky

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SPD-Vize Ralf Stegner und CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer sind bei Migrationsthemen tief zerstritten. Selbst die Sondierungsergebnisse stehen wieder infrage. Nun wackelt Angela Merkels Zeitplan.

Die Koalitionsverhandlungen von Union und SPD sind in eine schwere Krise geraten. Sowohl in der Nacht zum Montag als auch am folgenden Nachmittag sind die Unterhändler in der Arbeitsgruppe Migration nach heftigem Streit jeweils ohne Einigung auseinandergegangen. Sogar die im Sondierungspapier fixierten Kompromisse sind nach WELT-Informationen wieder strittig.

Vor allem zwischen Ralf Stegner, dem stellvertretenden SPD-Vorsitzenden, und Andreas Scheuer, dem Generalsekretär der CSU, sei das Tischtuch „de facto zerschnitten“, berichteten Teilnehmer. In der Nachtsitzung sei es zu echten Wortgefechten gekommen. Andere Teilnehmer empörten sich daraufhin darüber, dass dieser Streit an die Öffentlichkeit gekommen war – damit sei gegen das gegenseitige Versprechen verstoßen worden, nicht aus den vertraulichen Sitzungen zu berichten.

Um den Eindruck einer Krise zu verschleiern, waren am Montagmorgen extra die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer (SPD), und ihr hessischer Kollege Volker Bouffier (CDU) vor Fernsehkameras geschickt worden. Beide äußerten sich konziliant.

Tatsächlich war die Lage jedoch verfahren: Stegner möchte den Auftrag des SPD-Parteitages umsetzen, mit einer „Härtefallregelung“ einen umfangreicheren Familiennachzug zu ermöglichen. Scheuer beharrt hingegen darauf, dass es diese Härtefallregelung schon gebe: 1000 Flüchtlinge pro Monat sollen auf diesem Wege monatlich nach Deutschland kommen. So ist es im Sondierungspapier der potenziellen Partner vereinbart worden. Mehr sei der Bevölkerung nicht zuzumuten.

Es geht um sogenannte subsidiär anerkannte Schutzbedürftige: Diese Migranten konnten in ihren Asylverfahren keine persönliche Bedrohung nachweisen. Da sie aber aus Herkunftsländern kommen, in denen es objektive Gefahren, also zum Beispiel einen Bürgerkrieg, gibt, dürfen sie bleiben – im Normalfall für ein Jahr, dann wird die Gefahrenlage neu eingeschätzt.

Erst im August 2015 – also unmittelbar vor dem als Grenzöffnung wahrgenommenen 4. September – trat ein „Gesetz zum erweiterten Familiennachzug“ in Kraft, demzufolge auch diese Subsidiären ihre Angehörigen nachholen können. Im Anfang 2016 hektisch geschnürten Asylpaket II der letzten großen Koalition wurde der Familiennachzug dann jedoch wieder ausgesetzt. Aber nur für zwei Jahre. Im März tritt er automatisch wieder in Kraft. Deshalb verhandeln Union und SPD jetzt unter doppeltem Zeitdruck. Am Wochenende soll der Koalitionsvertrag stehen. Aber schon am Donnerstag sollte im Bundestag in erster Lesung eine weitere Aussetzung des Familiennachzugs beschlossen werden.

Das Ringen verlagert sich ins Parlament

Als die AG Migration sich am Montag erneut traf, versuchte man in dieser Runde nicht einmal mehr, den Streit um den Familiennachzug zu lösen. So verlagerte sich das Ringen ins Parlament. Die SPD-Fraktion richtete der Union aus, dass sie den Gesetzesentwurf, der ja schon nach drei Tagen in erster Lesung beraten werden sollte, nun doch nicht mittragen könne. Es gehe ihr nicht um eine „Begrenzung“ des Familiennachzugs, sondern um einen „Wiedereinstieg in den Familiennachzug“.

Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) signalisierte Entgegenkommen. An semantischen Fragen wolle er das Projekt nicht scheitern lassen. So tauschten die künftigen Koalitionspartner einige Textvarianten aus. Eine Einigung konnte allerdings nicht erzielt werden. Als Notlösung kam die Idee auf, am Donnerstag kein Gesetz, sondern nur „Eckpunkte“ in den Bundestag einzubringen.

Was ein Familiennachzug in Zahlen bedeuten würde

Der Chef für Migrationsforschung des Instituts der Bundesagentur für Arbeit, Herbert Brückner, nannte konkrete Zahlen einer repräsentativen Umfrage zum Thema Familiennachzug.

Quelle: WELT/ Lukas Axiopoulos

Die parallel tagende Koalitionsarbeitsgruppe stritt trotzdem weiter. Dabei ging es nun um das eigentlich vereinbarte Sondierungspapier, das nun von SPD und CSU völlig unterschiedlich interpretiert wurde. Konkret stand die darin enthaltene „zentrale Unterbringung von Asylbewerbern in Aufnahme-, Entscheidungs- und Rückführungszentren“ erneut zur Debatte.

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Diese Zentren sollten lediglich der Verfahrensoptimierung dienen, hat Stegner laut Teilnehmern ausgeführt. Er werde nicht zulassen, dass die CSU diese in „Abschreckungsanstalten“ umwandele. Jugendliche dürften gar nicht erst in den Zentren untergebracht werden, sondern müssten wie bisher in die Kommunen verteilt werden.

Daraufhin habe Scheuer dem SPD-Politiker vorgeworfen, nicht mehr auf dem Boden der Sondierungsvereinbarungen zu stehen. Zwischen beiden Politikern steht der Vorwurf der Trickserei im Raum. Stegner hatte nach dem Ende der Verhandlungen gemeinsam mit andern Sozialdemokraten beim SPD-Vorsitzenden Martin Schulz und dann auch bei Angela Merkel und Horst Seehofer durchgesetzt, dass das bereits fertige Papier noch einmal umgeschrieben wurde. Seine Begründung: Scheuer und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hätten nicht vereinbarte Sätze noch in letzter Minute hineingeschrieben.

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Die Atmosphäre in der Arbeitsgruppe Migration wird von Teilnehmern als unterirdisch beschrieben. Vermittlungsversuche des bayerischen Innenministers Joachim Herrmann (CSU) und Bouffiers scheiterten. Am Nachmittag ging die Arbeitsgruppe ohne Einigung auseinander.

Während die Koalitionäre in spe im Willy-Brandt-Haus stritten, ging es bei einer Anhörung des Bundestages um die gleiche Frage: Die geladenen Rechtsprofessoren und Kommunalvertreter vertraten tendenziell die Richtung des bisherigen Kompromisses von Union und SPD, den Familiennachzug zu drosseln.

Die Vertreter von Kirchen und Flüchtlingsorganisationen warben hingegen für eine rasche Gleichstellung. Da sich die „tatsächliche Situation von subsidiär Geschützten und Flüchtlingen“ nicht unterscheide und beide Gruppen dauerhaft nicht zurückkehren könnten, wandten sich die „Kirchen mit großer Entschiedenheit gegen die weitere Aussetzung“. Prälat Karl Jüsten vom Katholischen Büro sagte: „Hier könnte der Bundestag mehr Herz zeigen.“

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