Wider die Diktatur des Zeigbaren
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Eugen Gomringers Gedicht „Avenidas“ an der Fassade der Alice-Salomon-Hochschule in Berlin. Bild: EPA
Wir müssen Spannungen aushalten, anstatt sie zu übertünchen: Die Autonomie der Kunst ist auch in Demokratien gefährdet, wenn sie zur politischen Erfüllungsgehilfin wird.
Es ist eine Schlüsselszene in „Taxi“, dem Film des mit Berufsverbot belegten iranischen Regisseurs Jafar Panahi, der auf der Berlinale 2015 mit dem Goldenen Bären ausgezeichnet wurde: Hana, die Nichte Panahis, trägt die Regeln für einen „zeigbaren“ Film in Iran vor, die sie für ein schulisches Filmprojekt zu beherzigen hat. Die islamischen Kleidervorschriften sind einzuhalten, Frauen und Männer dürfen einander nicht berühren, und insgesamt soll ein Film die Realität zeigen, aber nicht, wenn sie hässlich ist, denn dann ist es „Schwarzmalerei“. So erweist sich der „zeigbare“ Film als Dienstmagd, betraut mit der Aufgabe, ein politisch gewünschtes Weltbild instand zu halten und das Volk im Geiste dieser Weltanschauung zu erziehen.
Dass man leider auch in Demokratien nicht davor gefeit ist, die Autonomie der Kunst aus politischen Gründen – und sei es auch nur um des lieben Friedens willen – zur Disposition zu stellen, lehrte bisher vor allem der Umgang mit religiös motivierten Anfeindungen: So wurde 2006 die Mozart-Oper „Idomeneo“ vom Spielplan der Deutschen Oper gestrichen, weil die Verantwortlichen die abgeschlagenen Köpfe der Religionsstifter Buddha, Jesus und vor allem Mohammeds in der Inszenierung von Hans Neuenfels für nicht zeigbar hielten.
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