| | | 10. Juni 2016 | | Die Fähigkeit zur sachlichen Kritik ist Bestandteil demokratischer Kultur | | In einer bemerkenswerten Rede hat Bundestagspräsident Norbert Lammert ein deutliches Signal gegen die verbalen Attacken des türkischen Staatspräsidenten über türkisch-stämmige Bundestagsabgeordnete gesetzt. Diese hatten vergangene Woche für die Armenien-Resolution gestimmt und diesen als Völkermord eingestuft. Er hätte es „nicht für möglich gehalten, dass ein demokratisch gewählter Staatspräsident im 21. Jahrhundert seine Kritik an demokratisch gewählten Abgeordneten mit Zweifeln an deren türkischen Abstammung verbindet.“ Die Rede Lammerts vertritt die gemeinsame Position aller Fraktionen im Bundestag. Erdogan hatte den Abgeordneten vorgeworfen, sie seien das Sprachrohr der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK. Dieser Vorwurf wurde durch den Bundestagspräsidenten zurückgewiesen. Im Zuge dieser aufgeheizten verbalen Stimmung erhielten Abgeordnete verbale Anfeindungen. Manche von ihnen mussten aufgrund von anonymen Morddrohungen das Bundeskriminalamt einschalten und stehen seitdem unter Polizeischutz. Meine Meinung Die Mitglieder des Bundestags haben mit der Resolution eine souveräne Entscheidung getroffen. Diese Entscheidung mag nicht auf das Wohlgefallen der türkischen Regierung stoßen, dennoch verdient diese demokratische Entscheidung eines europäischen Parlamentes Respekt. So hat Der Präsident des Bundestags Norbert Lammert unmissverständlich klar gemacht: "Jeder, der durch Drohungen Druck auf einzelne Abgeordnete auszuüben versucht, muss wissen, er greift das ganze Parlament an." Das sind keine europäischen Werte. Aussagen dieser Art stehen diesen europäischen Werten entgegen. Eine Versachlichung der Debatte ist dringend erforderlich. Ob der Aktionsplan, der von Erdogan angekündigt wurde, die Debatte zusätzlich verschärfen wird, ist noch nicht absehbar. Fest steht, die Bundesrepublik und die Türkei brauchen einander um den aktuellen politischen Herausforderungen effektiv zu begegnen. Die Lage in Syrien und auf dem Balkan zeigt uns, wie wichtig eine partnerschaftliche Beziehung zu der Türkei ist. Wir sollten diese Debatte von der Außenpolitik zwischen beiden Staaten trennen. Die Betonung gemeinsamer Werte und Ziele sind wichtiger als Debatten über polemische Reaktionen. Das hilft sowohl der Türkei, als auch der Bundesrepublik. Eine sachliche Kritik an der Resolution des Bundestags ist gerechtfertigt und ist Bestandteil demokratischer Kultur. Die Persönlichkeit von Abgeordneten anzugreifen ist jedoch weder redlich, noch zielführend. Sie nützt letztendlich niemandem. Will Herr Erdogan beweisen, dass er auch weiterhin an einer freundschaftlichen Partnerschaft mit Europa interessiert ist, so sollte er sich die Aussage des Präsidenten des Europäischen Parlamentes Martin Schulz vor Augen halten: "Die Freiheit der Mandatsausübung, insbesondere die Freiheit von jedwedem äußerem Druck, ist einer der entscheidenden Gradmesser für die Qualität einer Demokratie." Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende! Ihr
Johann Wadephul
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