CDU und CSU wollen am Mittwoch kommender Woche Sondierungsgespräche zur Bildung einer schwarz-gelb-grünen Koalition beginnen. Für den 18. Oktober habe die Union FDP und Grüne zu Einzelgesprächen eingeladen, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit CSU-Chef Horst Seehofer. Am Freitag kommender Woche sollen demnach erstmals alle vier Parteien gemeinsam sondieren. 

Ein Knackpunkt bei den Gesprächen über eine sogenannte Jamaika-Koalition dürfte die Verständigung auf eine gemeinsame Flüchtlingspolitik sein. Die Unionsparteien hatten sich am Sonntag nach langen Verhandlungen auf das Ziel geeinigt, maximal 200.000 Flüchtlinge pro Jahr aufzunehmen. "Wir wollen erreichen, dass die Gesamtzahl der Aufnahmen aus humanitären Gründen (Flüchtlinge und Asylbewerber, subsidiär Geschützte, Familiennachzug, Relocation und Resettlement, abzüglich Rückführungen und freiwillige Ausreisen künftiger Flüchtlinge) die Zahl von 200.000 Menschen im Jahr nicht übersteigt", heißt es in der Vereinbarung.

Der Kompromiss sieht aber Ausnahmen für Sondersituationen vor. Außerdem bekennen sich CDU und CSU ausdrücklich zum Recht auf Asyl im Grundgesetz und zur Genfer Flüchtlingskonvention. Ihr sei sehr wichtig gewesen, dass das Ergebnis das Grundrecht auf Asyl und die Genfer Konventionen berücksichtige, sagte Merkel. Auch der 200.001. Flüchtling, der nach Deutschland kommt, werde ein ordentliches Verfahren bekommen. CDU und CSU hätten ein "gemeinsames Ergebnis erreicht, dass ich für eine sehr, sehr gute Basis halte, um dann jetzt in die Sondierungen zu gehen mit FDP und Bündnis 90/Die Grünen", sagte die CDU-Vorsitzende.

Keine rote Linie – Seehofer will ergebnisoffen reden

Auch CSU-Chef Seehofer zeigte sich zufrieden mit dem Kompromiss. Die Vereinbarung sei ein "in sich schlüssiges Regelwerk zur Migration", in dem für jede denkbare Situation eine Verfahrensweise vereinbart sei. Dem bayerischen Ministerpräsident sei vor allem wichtig gewesen, dass im Bundestag über eventuelle Ausnahmen entschieden wird "und nicht in irgendwelchen Talkshows". 

In seiner Partei rief die Einigung mit der CDU unterschiedliche Reaktionen hervor. CSU-Vize Manfred Weber bezeichnete den Kompromiss als "wuchtigen Erfolg" für die CSU "und ganz persönlich für Horst Seehofer". Kritiker des parteiintern umstrittenen CSU-Chefs teilten diese Einschätzung nicht. Die Forderung nach einem personellen Neuanfang gelte "mehr denn je", sagte der Hofer Landtagsabgeordnete Alexander König. Seine Fürther Fraktionskollegin Petra Guttenberger sagte, die Basis wünsche sich einen personellen Neuanfang. Daran habe der Kompromiss nichts geändert. Sie werde sich aber an die Abmachung halten und keine Personaldebatte vor dem Parteitag führen, fügte sie hinzu.

Trotz seines jahrelangen Einsatzes für die Obergrenze und den kritischen Tönen aus Bayern signalisierte Seehofer in Hinblick auf die anstehende Regierungsbildung Kompromissbereitschaft. "Ich bin ja auch gelegentlich jemand, der gerne mal in der Öffentlichkeit so etwas wie eine rote Linie definiert. Jetzt ist aber die Zeit, ergebnisoffen zu reden."

Grüne: "Am Ende kommt was anderes raus"

Die Grünen sehen die Einigung kritisch. Der Kompromiss enthalte "Punkte, die wir bisher klar abgelehnt haben", darunter die Festlegung sicherer Herkunftsländer und Abschiebeeinrichtungen, sagte die Parteivorsitzende Simone Peter im WDR. Zudem wolle die Union die verschiedenen Flüchtlingsgruppen gegeneinander ausspielen. Eine Einigung bei den anstehenden Sondierungsgesprächen mit Union und FDP schloss Peter gleichwohl nicht aus. "Wir gehen in diese Gespräche, wir werden unsere Anliegen deutlich machen", sagte sie. "Entweder es reicht, oder es reicht nicht. Beide Optionen sind möglich."

Peters Co-Vorsitzender Cem Özdemir reagierte zurückhaltend auf die Einigung der Union. "Für mich ist das ein Kompromiss zwischen CDU und CSU und keine vorweggenommene Verständigung der Koalition", sagte Özdemir. "Am Ende kommt was anderes raus, das wird nicht das sein, was die da beschlossen haben." Das Thema gehöre "sicherlich zu den schwierigsten" in den Gesprächen mit Union und FDP. Die stellvertretende FDP-Vorsitzende Marie-Agnes Strack-Zimmermann nannte den Unionskompromiss eine "erste Basis" für Koalitionsgespräche.