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No-Go-Areas, Drogen, Polizei

Klaus Wowereit rechnet in seinem Buch mit Berlin ab

Klaus Wowereit (64) mit seinem neuen Buch, das am Donnerstag erscheint. Es ist eine Bilanz nach dreizehneinhalb Jahren als Politiker
Klaus Wowereit (64) mit seinem neuen Buch, das am Donnerstag erscheint. Es ist eine Bilanz nach dreizehneinhalb Jahren als Politiker Foto: picture alliance / Jörg Carstensen/dpa

Drei Jahre nach seinem Rücktritt rechnet der Ex-Regierende Klaus Wowereit (SPD) mit No-Go-Areas, Drogenhandel, zu wenig Polizei ab.

Vor gut drei Jahren packte Klaus Wowereit (inzwischen 64) eine Umzugskiste mit ein paar Bildern auf seinen Beifahrersitz. Als sich die Schranke vom Hof des Roten Rathauses öffnete, steuerte er mit seinem Opel Astra in eine neue Zeit als Rentner. „Es war der richtige Zeitpunkt“, sagt der SPD-Regierende Bürgermeister a.D. heute.

Zahlenlastige Abschnitte

Aber bevor Wowereit endlich sein Golf-Handicap verbessert (29) und den jahrelangen Plan vom Kauf eines Beagles fürs Gassigehen umsetzt, war er noch einmal fleißig und hat ein Buch geschrieben. Ab Donnerstag gibt‘s „Klaus Wowereit – Sexy, aber nicht mehr so arm: mein Berlin“ im Handel (Edel, 256 Seiten, 19,95 Euro).

Schon überraschend, wie deutlich er den offenen Drogenhandel in Berlin kritisiert, Clans, No-Go-Areas und Autofahrer-Schikanen thematisiert (siehe Auszüge weiter unten). Viele Passagen sind mit Zahlen überladen – wie eine kleine Volkshochschule.

Lob für Grütters

Was überrascht: Sein Nachfolger Michael Müller (53, SPD) wird nur einmal kurz erwähnt, CDU-Chefin Monika Grütters (56) als Kulturstaatsministerin mehrfach gelobt, weil sie so erstaunlich viel Geld in die Berliner Institutionen steckt.

Für den „Hauptstadtkulturfonds“ verantwortlich: Staatsministerin Monika Grütters
Staatsministerin Monika Grütters (Foto: dpa) Foto: pdz kno

Ein ganzes Kapitel ist ihm das BER-Desaster wert, die schlimmste Erfahrung seiner Amtszeit. Bei der Schuldfrage bleibt Wowereit stur, schreibt: „Dass am Ende alles auf den Aufsichtsrat geschoben wurde, speziell auf seinen Vorsitzenden K.W., empfand ich selbstverständlich als ungerecht und auch nicht zutreffend.“

Auszüge aus dem Wowereit-Buch

B.Z. dokumentiert Passagen aus dem Buch.

Problemschulen: „Wie kriegt man Leistungsträger an Problemschulen? Dieses Problem kann man höchstens durch ein Austauschverfahren lösen, indem man etwa nach sechs Jahren – wenn ein Schüler-Lehrgang durchs System durchgeschleust wurde – die Lehrer wieder zurücktauscht.“

No-Go-Areas: „Wenn Bürger sich nicht mehr in bestimmte Gegenden trauen, ist es gleichgültig, ob es da objektiv gefährlich ist oder ob das Gefahrenszenario eine subjektive Vorstellung ist.“

Rücktritts-Pläne: „Meine Partei war ja auf einem Parteitag gegen den Bau (Stadtautobahn von Neukölln nach Treptow), beim nächsten 2010 dann mit einer hauchdünnen Mehrheit von fünf Stimmen wieder dafür. Wäre es andersrum ausgegangen, wäre ich zurückgetreten…, weil es meiner Meinung nach damals eine symbolhafte Entscheidung darüber war, ob man überhaupt noch in Zukunftsprojekte investieren will.“

Billig-Wein: „Ich hab damals sogar verstanden, was Peer Steinbrück meinte, als er sagte, es sei unmöglich eine Flasche trinkbaren Wein für weniger als 5 Euro zu finden… Ja, bei einem Supermarktwein für 2,49 Euro handelt es sich wahrscheinlich um gepanschten Fusel.“

Drogen-Handel: „Fakt ist, dass das Versteckspiel der Beschaffung heute eben gar nicht versteckt abläuft. An bestimmten U-Bahnhöfen oder eben auch im Görlitzer Park können Normalbürger dabei zusehen. Und dann wundert sich mancher zu Recht, dass die Polizei offenbar nicht eingreifen kann oder will. So entsteht der Eindruck rechtsfreier Räume.“

Kurfürstendamm: „So elegant wie heute war der Ku’damm wohl noch nie.“

Mehr Polizeipräsenz: „An bestimmten Schwerpunkten wie dem Alexanderplatz oder dem Breitscheidplatz, am Kottbusser Tor oder im Görlitzer Park ist sie meiner Meinung nach wirklich angezeigt. In dieser Hinsicht ist in der Vergangenheit sicherlich zu wenig gemacht worden.“

Polizeibeamte bobachten den Demo-Zug durch Wedding
Polizeibeamte bobachten eine Demo in Berlin (Foto: dpa) Foto: paz fux jhe

Schlaf: „Ich bin ein Nettoschläfer. Heißt: Ich kann abends sofort einschlafen, brauche kein Buch, keine Glotze und kein Glas Rotwein.“

Bedürfnisse: „Sie mögen lachen, aber ab und an muss man seinen Mitarbeitern schon klarmachen, dass auch ein Politiker einmal am Tag was zu essen braucht und auch einmal einen Abstecher zum stillen Örtchen machen muss.“

BER-Absage: „Ich muss zugeben, das war die dunkelste Stunde meiner Amtszeit, ja der mit Abstand schlimmste Moment meines Berufslebens überhaupt…. In der Öffentlichkeit werde ich für das BER-Drama bis zu jenem Tag meinen Kopf hinhalten müssen, an dem dort die erste Linienmaschine abhebt. Und am Tag danach werden sich andere eine Rose ins Knopfloch stecken.“

Integration: „Es müsste eigentlich auch im Eigeninteresse der integrationswilligen Migranten liegen, innerhalb der eigenen Reihen wachsam zu sein und sich kooperativ mit den deutschen Behörden zu zeigen, schon aus Selbstschutz. Wir erleben derzeit aber meist das Gegenteil. Nicht nur in den Moscheen wird heute massiv die Abgrenzung von der westlichen Lebenskultur gepredigt.“

Auto-Schikanen: „In Berlin ist es immer noch relativ angenehm, Auto zu fahren. Deswegen bin ich denn auch kein Freund restriktiver Verkehrsplanung, die mittels beliebig verteilter Dreißiger-Zonen oder Spielstraßen, durch Schwellen- und Verschwenkungs-Schnickschnack oder durch lediglich aufgemalte Alibi-Fahrradspuren systematisch den Individualverkehr bekämpft.“

Aktenfresser: „Ich habe nie im Leben eine Rede gehalten, ohne sie vorher gegenzulesen und gegebenenfalls heftig zu redigieren. Ich habe nie Politiker empfangen, ohne zu wissen, wo das Land liegt, in dem sie regieren.“

Themen: Berliner Polizei Drogen Integration Klaus Wowereit Kriminalität Schule
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