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Stoppte Lederer die Räumung?

Was geschah in der Nacht der Volksbühnen-Besetzung wirklich?

Während der Besetzung hing an der Fassade ein Transparent mit der Aufschrift „Doch Kunst“
Während der Besetzung hing an der Fassade ein Transparent mit der Aufschrift „Doch Kunst“ Foto: picture-alliance/ Kai-Uwe Heinrich

Der entstandene Schaden von 10.000 Euro wäre möglicherweise zu verhindern gewesen, wenn sich Kultursenator Klaus Lederer nicht eingemischt hätte.

Die Aktion vom 22. auf den 23. September war monatelang vorbereitet worden: Ab etwa 15 Uhr besetzten Aktivisten des Kollektivs „Staub zu Glitzer“ das Foyer des Hauses. Sie kritisierten Intendant Chris Dercon (59), forderten ein antikapitalistisches Bühnen-Programm. Trotz der illegalen Aktion durften die Aktivisten fast eine Woche bleiben, dann wurde doch geräumt. Der Schaden: rund 10.000 Euro.

Kosten, die nach B.Z.-Informationen möglicherweise zu verhindern gewesen wären, wenn sich Kultursenator Klaus Lederer (43, Linke) nicht eingemischt hätte!

So waren zunächst lediglich etwa 20 Aktivisten in der Volksbühne. Als Intendant Dercon von der Hausbesetzung erfuhr, fuhr er von einer Veranstaltung zurück zur Volksbühne. Dort warteten bereits Vertreter der Kulturverwaltung. Lederer allerdings war noch nicht da.

Dutzende Polizisten waren nach der Besetzung der Volksbühne Ende September im Einsatz (Foto: Olaf Wagner)
Dutzende Polizisten waren nach der Besetzung der Volksbühne Ende September im Einsatz (Foto: Olaf Wagner)

Dercon wollte eine Räumung, wurde aber gestoppt

Nach B.Z.-Informationen aus Verwaltungskreisen wollte Dercon schon zu diesem Zeitpunkt am Nachmittag die Aktivisten wegen Hausfriedensbruch anzeigen und räumen lassen, da er befürchtete, die Zahl der Aktivisten nehme zu und es könne zu einer längeren Besetzung kommen. „Da wurde er von den Mitarbeitern der Kulturverwaltung gestoppt“, so ein Insider zur B.Z.

Später am Abend tauchte der Kultursenator im Haus auf. Da waren es schon mehrere Hundert Besetzer. Schließlich wurde doch die Polizei gerufen. Von wem, sagt die Polizei nicht. Um 0.45 Uhr waren es schon so viele Besetzer, dass die Beamten vor Ort Verstärkung riefen.

Lederer, nicht mehr ganz nüchtern, wies an, nichts zu tun

Nachdem sich die Situation ab 1.30 Uhr beruhigt hatte, rückte die Polizei nach B.Z.-Informationen gegen 3 Uhr erneut an. Offiziell wird der Einsatz von der Polizei nicht erwähnt. Wie es heißt, stand erneut eine Räumung zur Diskussion. Doch Lederer soll die Beamten angewiesen haben, nichts zu tun. Er sei nicht mehr ganz nüchtern gewesen, heißt es.

Ein Sprecher des Senators räumt ein, dass der Senator vorher Bier getrunken habe: „Nachdem die Verantwortlichkeiten für die folgenden Stunden geklärt waren, haben sich der Senator und sein Einsatzstab noch in der Kantine der Volksbühne zusammengesetzt, bevor sie nach Hause gingen. Bei dieser Gelegenheit wurde Bier getrunken – auch von dem Senator.“

Der Sprecher räumt auch ein, dass der Polizei um 3 Uhr von Lederers Büroleiter mitgeteilt worden sei, „dass der Einsatzstab der Kulturverwaltung mit den Besetzern im Kontakt steht und eine Räumung (…) nicht erfolgen soll. Diese Entscheidung wurde den Beamten dann auch noch einmal von dem Senator bestätigt“.

Kultursenator Klaus Lederer (43, Linke) im Juli beim Hoffest im Roten Rathaus
Kultursenator Klaus Lederer (43, Linke) (Foto: Frank Senftleben) Foto: Frank Senftleben

Verhinderte Lederer eine Räumung?

Einträge von Lederers Facebook-Konto zeigen, wie Personen um 6.10 Uhr in der Volksbühnen-Kantine im Keller sitzen und Brötchen mit Rührei essen.

Ein Sprecher verteidigt den Entschluss: Eine Räumung „mit der damit verbundenen unkontrollierbaren Gefahr für die Gesundheit der Beteiligten und der Verursachung materieller Schäden“ hätte ein „unverhältnismäßig großes Risiko“ dargestellt.

Der stellvertretende CDU-Fraktionschef Stefan Evers (38) kritisiert: „Die Nähe der Linken zur Hausbesetzer-Szene in Berlin ist und bleibt ein Grundübel der rot-rot-grünen Koalition.“

Grüne sind besorgt über die Entwicklung an der Volksbühne

Vier Monate nach der Besetzung läuft an der Volksbühne der Spielbetrieb normal. Allerdings war der Start für den umstrittenen Intendanten Chris Dercon (59), Nachfolger von Frank Castorf, im November holprig.

So fiel die Premiere einer Trilogie des irischen Theater-Autors Samuel Beckett bei den meisten Kritikern durch. Nun der nächste Paukenschlag: Die renommierte Schauspielerin Sophie Rois (56) verlässt nach 25 Jahren die Volksbühne.

Die Kultur-Expertin der Berliner Grünen, Sabine Bangert (62): „Ich bin außerordentlich besorgt über die Entwicklung der Volksbühne, die sich zunehmend von einem Ensemble-Theater entfernt.“

Themen: Berlin investigativ Chris Dercon Klaus Lederer Kultur und Leute Volksbühne
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