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Ramona Pop, 41, ist seit 2016 Senatorin für Wirtschaft, Energie und Betriebe.

© Paul Zinken/dpa

Interview mit Ramona Pop: „Ich empfehle den Blick ins Grundgesetz: Eigentum ist geschützt“

Berlins Wirtschaftssenatorin spricht im Tagesspiegel-Interview über Enteignungen, das Tempelhofer Feld und die Frage, ob Berlin investorenfeindlich ist.

Frau Pop, wie fühlt man sich so als sozialistische Wirtschaftssenatorin in Berlin?

Ich bin im Sozialismus aufgewachsen, ich wünsche mir nichts davon zurück.

In Teilen der Berliner Wirtschaft herrscht ein anderer Eindruck vor, jedenfalls in Bezug auf die Wohnungspolitik der Koalition. Die Linke unterstützt den Volksentscheid „Deutsche Wohnen enteignen“, bei Grünen und der SPD gibt’s dafür immer mehr Unterstützer, der Regierende Bürgermeister will Enteignungen „im dritten, vierten, fünften Schritt“ nicht ausschließen. Von der Wirtschaftssenatorin war dazu bisher nichts zu hören.

Kein Regierungsmitglied sollte das Wort Enteignung leichtfertig in den Mund nehmen. Ich verstehe aber, dass sich immer mehr Berlinerinnen und Berliner bei dieser extremen Mietentwicklung Konzernen wie der Deutschen Wohnen regelrecht ausgeliefert fühlen.

Aber was sagen Sie der Berliner Wirtschaft, die das Thema ja vernehmlich erregt?

Ich empfehle allen den Blick ins Grundgesetz: Eigentum ist geschützt, und Eigentum verpflichtet. Das ist unser Handlungsrahmen.

Was bedeutet das für Sie?

Ich kann die Menschen gut verstehen, die sich um ihr Zuhause sorgen, wenn große Immobilienunternehmen Mieten erhöhen. Deshalb finde ich es richtig, stark regulierend einzugreifen. Um Mieterinnen und Mieter zu schützen, müssen wir alle Instrumente nutzen. Ich sehe keinen Widerspruch zwischen regulieren, bauen, und (zurück-)kaufen. Wir sollten den ideologischen Streit, ob das eine oder das andere richtig ist, hinter uns lassen.

Der wird doch aber gerade mit einem Wort wie Enteignung angefacht.

Es geht um das Zukaufen und Zurückkaufen von Wohnungen für die öffentliche Hand, und wir sollten mit allen sprechen, die verkaufen wollen – auch mit kleineren Vermietern, die die Interessen ihrer Mieter im Auge behalten wollen.

Da müssen die finanziellen Möglichkeiten des Landes Berlin ja grenzenlos sein.

Die Grenzen sind gesetzt durch den Haushalt. Wir reden hier über teilweise Rückkäufe. Was mir dabei wichtig ist: Das Land darf nicht zum Spekulanten werden und um jeden Preis bereit sein, zu kaufen.

Ein Vorwurf lautet aus der Wirtschaft: Die Koalition kauft ihrer Klientel die Wohnungssicherheit zurück, ungeachtet ihres Einkommens.

Uns geht es darum, die Berliner Mischung zu erhalten und reine Sozialbauten am Stadtrand zu vermeiden. Heute leben Transferleistungsempfänger, Lehrer und Gewerbetreibende Tür an Tür in einem Haus. Doch oft geraten auch gut verdienende Familien mit dem zweiten oder dritten Kind in Not, weil sie sich keine größere Wohnung leisten können. Als Wirtschaftssenatorin behalte ich alle Unternehmen, auch die kleinen und mittleren, im Auge – diese haben ebenfalls Bedarf an erschwinglichen Mieten und Fachkräften, die bezahlbaren Wohnraum brauchen.

Die Langzeitrecherche „Wem gehört Berlin“ ist eine Kooperation des Tagesspiegels mit dem gemeinnützigen Recherchezentrum Correctiv. Auf unserer Plattform wem-gehoert-berlin.de können Sie uns mitteilen, wer Eigentümer Ihrer Wohnung ist, und welche Erfahrungen Sie mit Ihrem Vermieter gesammelt haben. Mithilfe der Daten suchen wir nach unverantwortlichen Geschäftspraktiken und machen den Immobilienmarkt transparenter. Eingesandte Geschichten werden nur mit Ihrer Einwilligung veröffentlicht.

Was macht denn der Senat, wenn das Volksbegehren erfolgreich verläuft?

Die Frage ist hypothetisch. Wir müssen jetzt schon alles tun, um den landeseigenen Wohnungsbestand zu erweitern, durch schnelleres Bauen, und auch durch Zukäufe. Auch müssen wir die landesrechtlichen Rahmen gegen steigende Mieten stärker ausnutzen.

Aber es gibt in der Stadt laut Umfragen eine deutliche Stimmung für das Volksbegehren, damit müssen Sie sich ja beschäftigen – und vom 6. April an werden Stimmen gesammelt.

Es ist gefährlich, wenn der Eindruck entsteht, dass Politik kaum Einwirkungsmöglichkeiten auf den Wohnungsmarkt hat. Das Mietrecht muss sich deshalb deutlich zugunsten der Mieter ändern und dafür brauchen wir die Bundesregierung. Doch die interessiert sich bisher gar nicht für die Nöte der Menschen, die das Gefühl haben, den Konzernen als Cashcow ausgeliefert zu sein. Die Rendite der Vermieter ist hoch, besonders der großen Unternehmen. Eine Änderung der Mietenpolitik führt nicht zu deren Ruin. Eigentum verpflichtet zu vernünftigem, sozialem Verhalten, nicht zu Turbokapitalismus.

Bisher genießt die Berliner Wirtschaft ein überproportionales Wachstum, aber die Kammern sprechen davon, dass wirtschaftsfeindliche Signale des Senats den Aufschwung bremsen könnten. Nehmen Sie das ernst oder halten sie das für übertriebenen Alarmismus?

Berlin ist nicht investorenfeindlich, auch wenn manche damit Berlin schlechtreden. Berlin konnte zum Beispiel mit Abstand am meisten Investitionen für Start-ups einwerben: insgesamt 2,64 Milliarden in 2018. Zahlreiche neue Ansiedlungen und Unternehmenserweiterungen, darunter bekannte Player wie zum Beispiel N26, Nike, die Neueröffnung des Google-Büros und der Siemens-Innovationscampus zeigen: Investoren haben starkes Vertrauen in unseren Wirtschaftsstandort. Fast alle wachsenden Metropolen sind in der gleichen Situation wie wir, und die Antworten der Regierungen in der Wohnungspolitik sind ähnlich wie unsere. Das Vertrauen in den Wirtschaftsstandort Berlin ist ungebrochen hoch, die Anziehungskraft der Stadt ist nach wie vor groß – Berlin wächst jedes Jahr um eine Kleinstadt.

Aber die Büroflächen werden knapp und teuer, der Leerstand beträgt hier nur noch 1,3 Prozent, auch Gewerbeflächen sind kaum noch im Angebot. Würgt das nicht auf Dauer die Dynamik ab?

Natürlich werden in einer wachsenden Metropole auch die Nutzungskonflikte um die knapper werdenden Flächen größer. Wenn die Stadt wächst, muss auch die Verwaltung wachsen und der Bedarf an Wohnraum wird größer. Aber wir brauchen auch Arbeitsplätze. Ich wünsche mir ein besseres Verständnis für diesen Zusammenhang, und auch mehr Unterstützung in der Stadt und im Senat. Unser Ziel ist es, eigene Gewerbehöfe aufzubauen. Dazu gründen wir eine Gewerbeentwicklungsgesellschaft, die auch Flächen erwerben und entwickeln soll. Wir müssen alles nutzen, was an Flächen da ist – fürs Wohnen und fürs Gewerbe.

Und zu „alles“ gehört dann auch bald das Tempelhofer Feld?

Es geht um alles, was auf der Basis des Flächennutzungsplans vorhanden ist. Jetzt geht es erstmal um die Entwicklung des Flughafengebäudes. Bis die Bürgerinnen und Bürger das anders sehen, bleibt das Feld außen vor. Aber die Grünen waren schon vor dem Volksentscheid dafür, über eine maßvolle Randbebauung auf der Tempelhofer Seite zu diskutieren – ohne den Neubau der ZLB.

+++ Ramona Pop, 41, ist seit 2016 Senatorin für Wirtschaft, Energie und Betriebe. Die Grünen-Politikerin ist außerdem neben Linken-Landeschef Klaus Lederer Vize-Bürgermeisterin. +++

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