Berlin. Auf ihrem Parteitag beschließt die Berliner SPD einen höheren Mindestlohn, geringere Abgaben für Eltern und 150 Euro Beamten-Zulage.

Die Berliner SPD will mit einer deutlichen Einkommenssteigerung für Normal- und Geringverdiener das Vertrauen der einstigen Stammwähler zurückgewinnen. Der Landesparteitag billigte einstimmig die Pläne der SPD-Spitze, jedem Angehörigen des öffentlichen Dienstes ab 2020 eine Berlin-Zulage von 150 Euro monatlich zu bezahlen. Gleichzeitig sollen die Mitarbeiter in den unteren Lohngruppen höher eingestuft werden.

Mithilfe eines Mindestlohns von 12,63 Euro für alle Auftragnehmer des Landes soll das gesamte Lohnniveau auch in der Privatwirtschaft hochgedrückt werden. Gleichzeitig wollen die Sozialdemokraten alle Hortgebühren und die Elternbeiträge für das Schul- und Kitaessen abschaffen. Befristete Arbeitsverträge ohne sachlichen Grund soll es in Landesbetrieben nicht mehr geben, auch das Auslagern von Tätigkeiten in Tochterunternehmen mit niedrigeren Löhnen will die SPD unterbinden. Das ganze Paket würde den Landeshaushalt mit mindestens 500 Millionen Euro pro Jahr belasten.

Müller: Eine Zulage für Staatsdiener ist „kein Sozialismus“

Der Regierende Bürgermeister Michael Müller passte den Beschluss in die bundesweite Strategiedebatte der SPD ein. Das „Sowohl-als-auch“ in vielen Positionen müsse aufhören. „Viele Leute sagen, die SPD steht für soziale Gerechtigkeit, aber sie ist nicht konkret genug“, sagte der SPD-Landesvorsitzende vor den 249 Delegierten im Maritim-Hotel am Tiergarten. Eine Zulage für Staatsdiener sei „kein Sozialismus“, so etwas gebe es auch in anderen teuren Großstädten wie etwa München, so Müller. Die Mindestlohnforderung begründete Müller mit den Worten, es müsse „undenkbar“ sein, dass jemand, der 40 Stunden pro Woche arbeitet, sein Einkommen beim Amt aufstocken müsse oder im Ruhestand nicht mehr als Grundsicherung bekomme.

Fraktionschef Raed Saleh sekundierte in demonstrativer Einigkeit seinem langjährigen Rivalen Müller: „Es muss für uns jetzt darum gehen, dass die normalen Leute und die Familien mehr Geld in der Tasche haben.“ Der Antrag sei ein „kleiner Anfang“ für eine „Umverteilung von oben nach unten“. Dass es in der Charité Therapeuten gebe, die als Mitarbeiter einer Tochterfirma bis zu 800 Euro weniger verdienten als die Stammbeschäftigten, sei eine „Sauerei“ und müsse aufhören.

Tatsächlich können die SPD-Beschlüsse, wenn sie denn in der rot-rot-grünen Koalition umgesetzt werden, viele Berliner erheblich finanziell entlasten beziehungsweise besserstellen. Allein die Berlin-Zulage von 150 Euro monatlich bedeutet für jeden Beamten oder Angestellten im Landesdienst ein jährliches Einkommensplus von 1800 Euro brutto. Die unteren Lohngruppen des mittleren und gehobenen Dienstes würden mit diesem Schritt auf das Niveau der Mitarbeiter des Bundes kommen, kalkulieren sie in der SPD. Weil aber die bessere Eingruppierung der niedriger bezahlten Beschäftigten um zwei Gehaltsstufen weitere Einkommenszuwächse von rund 300 Euro bedeuten, hätte etwa ein normaler Streifenpolizist sogar 450 Euro monatlich oder 5400 Euro pro Jahr mehr. Durch den höheren Mindestlohn rechnet die SPD aber auch mit Effekten für die Privatwirtschaft.

Eine Polizistin und ein Bäcker hätten 600 Euro mehr

Ein generell höherer Mindestlohn im Land würde auch die darüberliegenden Gehälter hochdrücken, weil die Abstände zwischen den niedrigsten und den darüberliegenden Stufen erhalten bleiben müssten. Diesen Effekt kalkuliert der SPD-Finanzexperte Torsten Schneider, Hauptautor des am Sonnabend beschlossenen Antrages, auf noch einmal 150 Euro monatlich. Eine Polizistin und ein Bäcker hätten dann zusammen ein um 600 Euro höheres monatliches Bruttoeinkommen. Wenn sie dann für ihre zwei Kinder keine Hortgebühren von durchschnittlich 80 Euro bezahlen müssen und zweimal den Elternbeitrag von 23 Euro für das Schulessen sparen, würden sie noch einmal um rund 200 Euro monatlich entlastet. Hinzu soll noch ein kostenloses Schülerticket kommen (derzeit 21,80 Euro im Monat), über das die Koalition schon für den Nachtragshaushalt 2018/19 diskutiert.

Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD), der die kostspieligen Wünsche der Sozialdemokraten schon im nächsten Doppelhaushalt für 2020 und 2021 abbilden muss, gab sein Okay: „Das ist finanziell verkraftbar“, sagte er. Es müsse auch noch „in dieser Legislaturperiode“ stattfinden. Allerdings, warnte Kollatz, „wenn wir jetzt Schwerpunkte setzen, dann geht manches andere nicht.“

Weitere Debatten und Beschlüsse

Die Berliner SPD hat sich nun auch offiziell dafür ausgesprochen, den 8. März, den Internationalen Frauentag, zum Feiertag zu machen. Bundesfrauenministerin Franziska Giffey sagte: „Der Frauentag als Feiertag ist wichtig, um das Anliegen der Frauenrechte nach vorne zu bringen.“ Lan- desvorstand und Fraktion der Linken hatten sich auf den 8. März festgelegt. Die Grünen sind in der Debatte.

Außerdem möchte die SPD den Volksentscheid zum Bauverbot auf dem Tempelhofer Feld korrigieren, und hat sich für eine „sozialverträgliche Randbebauung des Tempelhofer Feldes“ ausgesprochen. In dieser Wahlperiode solle aber „aus Respekt vor der Volksgesetzgebung“ nichts beschlossen werden. Nun wird geprüft, wie die Bebauung aussehen und die Freifläche erhalten werden könnte.

Auch zu den Ladenöffnungszeiten im Advent gab es einen Beschluss: Am 23. Dezember möchte die SPD die Läden in Berlin geschlossen halten. Die arbeitnehmer- und frauenfreundliche Linie der Partei lasse es nicht zu, den meist weiblichen Beschäftigten zuzumuten, am Sonntag vor Heiligabend zu arbeiten. Der Verweis auf den Online-Handel ziehe nicht. Dieser habe immer länger geöffnet.

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