Siemensstadt 2.0: Siemens baut Technologiepark für 600 Millionen Euro in Berlin

Siemens will sein Industriegebiet in Spandau in ein kleines Silicon Valley verwandeln und Industrie 4.0 im "sozio-ökonomischen Umfeld führend gestalten".

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Siemensstadt 2.0: Siemens baut Technologiepark für 600 Millionen Euro in Berlin

Siemenstadt 1.0: Unter anderem ging hier 1928 mit dem Schaltwerk-Hochaus Europas erstes Fabrikhochhaus  in Betrieb.

(Bild: Siemens, Geschichte der Siemensstadt)

Lesezeit: 4 Min.
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Berlin hat den Zuschlag für den geplanten "Innovationscampus" von Siemens bekommen. Auf dem historischen, rund 70 Hektar großen Industriegelände des Elektronikriesen in Spandau soll mithilfe von Investitionen in Höhe von gut 600 Millionen Euro bis 2030 die "Siemensstadt 2.0" entstehen, gaben der Konzern und der Berliner Senat am Mittwoch bekannt. Ziel sei es, das Gebiet in einen "modernen und von vielfältiger Nutzung geprägten urbanen Stadtteil der Zukunft zu wandeln" und zugleich in Kooperation zwischen Wissenschaft und Wirtschaft "ausgewählte Schlüsseltechnologien und Innovationsfelder zu stärken".

Die Projektplaner haben vor, einen "Technologiepark und Inkubator im Herzen der Siemensstadt zu entwickeln". Dafür sollen Forschungs-, Fach- und Gründungszentren, Startups sowie außeruniversitäre und wissenschaftliche Einrichtungen und deren Partnerunternehmen angesiedelt werden. Ein Kernanliegen von Siemens ist es dabei, die industrielle Digitalisierung beziehungsweise die vielbeschworene Industrie 4.0 im "sozio-ökonomischen Umfeld" führend zu gestalten.

Im Einzelnen sollen in Siemensstadt laut dem Konzern aktuell angesagte IT-Anwendungsfelder wie dezentrale Energiesysteme, Elektromobilität und automatisiertes Fahren, Künstliche Intelligenz (KI) mit Schwerpunkt Maschinenlernen, Internet der Dinge, Datenanalyse, Blockchain oder 3D-Druck angesiedelt werden. Damit seien auch ganz neue Stellenprofile und Berufsbilder verbunden.

"Gerade hier in Berlin gab es schon eine Gründerkultur, als es in Silicon Valley noch gar keine Garagen gab", begründete Siemens-Chef Joe Kaeser die Entscheidung für die Hauptstadt. Angesichts der vierten industriellen Revolution müsse man die Frage stellen: "Wie schaffen wir es, eine immer stärker geteilte Gesellschaft zu integrieren."

"Wir werden das Thema Digital und Sozial auch mithilfe dieser größten Einzelinvestition in Berlin weiterverfolgen", betonte Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD). Von der Hauptstadt, die mehr und mehr zu einer Smart City werde, solle das Signal ausgehen: "Wirtschaftliche Modernität und soziale Verantwortung gehören zusammen." Er könne noch nicht bemessen, wieviel Geld Berlin oder die Bundesregierung etwa für die Erschließung des Campus mit investieren würden.

Dem Vernehmen nach soll der Senat unter anderem Auflagen zum Denkmalschutz abgeschwächt sowie eine schnelle Anbindung an das Internet und eine moderne Verkehrsinfrastruktur zugesichert haben, um die internationale Ausschreibung zu gewinnen. Zum genauen Inhalt eines Eckpunktepapiers, das beide Seiten am Mittwoch unterzeichneten, vereinbarten die Beteiligten Vertraulichkeit. Kaeser unterstrich, dass der Konzern die für den Technopark an sich veranschlagten Millionen aus eigener Kasse zahlen werde: "Alles Siemens-Geld, versteuert und vorrätig."

In Abstimmung mit dem Berliner Senat wird Siemens zunächst einen städtebaulichen Wettbewerb durchführen, der die Basis für die weitere Entwicklung des Großprojekts sein soll. Insgesamt werde die Siemensstadt "ihre Wiedergeburt erleben", begrüßte der Spandauer CDU-Bundestagsabgeordnete Kai Wegner das Vorhaben: "Hier fing der Welterfolg der Firma Siemens an und hier wird nun offenbar mit dem deutschen Silicon Valley an der Spree ein neues Konzernkapitel geschrieben."

Cedrik Neike, Mitglied des Siemens-Vorstands, spricht vorsichtiger von einem "für alle offenen Ökosystem, um Arbeiten, Forschen, Wohnen und Lernen auf einem Areal zusammenzubringen". Es solle "in Berlin anders laufen als im Silicon Valley, wo viele verdrängt wurden", sicherte er in einem Interview zu. Man wolle die Bürger schon in der Planungsphase mitnehmen und zugleich Talente aus dem Silicon Valley und von anderswo in Richtung Deutschland ziehen.

Spandau sei auch nicht Kreuzberg, zeigte sich der Manager erleichtert: In dem Szenebezirk hat Google nach heftigen Protesten aus der Bevölkerung gerade seinen Plan auf Eis gelegt, dort ein eigenes Innovations- und Startupzentrum zu erreichten. (jk)