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Am Brandenburger Tor 2014: Tausende demonstrierten nach judenfeindlichen Vorfällen gegen Antisemitismus.

© Hitij/dpa

Exklusiv

Polizei registriert mehr Fälle: Antisemitische Taten haben sich in Berlin seit 2013 verdoppelt

Die Zahl antisemitischer Taten in Berlin steigt seit Jahren - unklar ist oft, wer die Täter sind. Die CDU fordert erneut einen Antisemitismusbeauftragten.

Die Zahl antisemitischer Straftaten in Berlin ist erneut gestiegen. Nach Tagesspiegel-Informationen sind im Jahr 2017 bei der Polizei 288 antisemitisch motivierte Fälle registriert worden – was einer Verdopplung seit 2013 entspräche. Noch ist nicht aufgeschlüsselt, um welche Taten es sich handelt. Dies geht aus einer Antwort von Innenstaatssekretär Christian Gaebler (SPD) auf eine Anfrage des Abgeordnetenhausmitglieds Peter Trapp (CDU) hervor.

Im Jahr 2016 waren 197 antisemitisch motivierte Fälle erfasst worden. Unklar ist, weshalb es zu einer Steigerung kam; ebenso wenig ist in vielen Fällen bekannt, wer die Täter sind: Genaue Analysen dazu fehlen. Von Ermittlern, aber auch Lehrern und Mitarbeitern der Bezirksämter heißt es, man nehme an, die Steigerung der Vorfälle hänge auch damit zusammen, dass in der Stadt nun mehr Einwanderer aus dem Nahen Osten lebten. Allerdings hatten zuletzt auch (deutsche) Rechtsradikale durchaus Mobilisierungserfolge.

In jedem Fall sprach der Senat nach Trapps Anfrage für das Jahr 2014 noch von 176 registrierten Fällen. Für das Jahr 2013 waren es 149 Taten. Grundsätzlich bestehen Schwierigkeiten, antisemitische Taten nach Motiven zu sortieren: Wenn arabische Demonstranten auf einer Anti-Israel-Demonstration den Arm zum Hitler-Gruß recken, könnte dies in die Statistik sowohl unter „Ausländerextremismus“ als auch unter „Rechtsextremismus“ verbucht werden. Eine „Juden raus“-Schmiererei wäre als Tat von Neonazis als auch von Islamisten und türkischen Rechtsnationalisten denkbar.

"Fight Antisemitism" - eine Kundgebung an der Gedächtniskirche 2015 gegen den jährlich stattfindenden Al-Kuds-Tag.
"Fight Antisemitism" - eine Kundgebung an der Gedächtniskirche 2015 gegen den jährlich stattfindenden Al-Kuds-Tag.

© Fischer/dpa

An der oft getätigten Aussage, mehr als 90 Prozent der antisemitischen Taten würden von (deutschen) Rechtsextremen begangen, zweifeln nicht nur Beamte, sondern letztlich auch der vom Bundestag eingesetzte „Unabhängige Expertenkreis Antisemitismus“. Die Wissenschaftler hatten im Auftrag der Bundesregierung im April einen Bericht vorgelegt. Darin heißt es, fremdenfeindliche und antisemitische Taten würden grundsätzlich der „politisch motivierten Kriminalität Rechts“ zugeordnet, „wenn keine weiteren Spezifika erkennbar“ und „keine Tatverdächtigen bekannt geworden sind“. So entstehe „möglicherweise ein nach rechts verzerrtes Bild über die Tatmotivation und den Täterkreis“, schrieben die Experten. Sie erklärten zudem, es müsse mit einer „systematischen Unterschätzung antisemitischer Vorfälle“ gerechnet werden.

Der Berliner CDU-Abgeordnete Trapp forderte erneut, im Land die Stelle eines Antisemitismusbeauftragten einzurichten: Der könne unter anderem klären, aus welchen Milieus heraus welche Taten begangen werden. Die Opferberatungsstelle „Reach­Out“ hatte Dienstag ihre Zahlen vorgestellt. Demnach gab es im vergangenen Jahr 13 antisemitisch motivierte Gewalttaten, 2016 waren 31.

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