Berlin. Die Mehrheit des Berliner SPD-Landesvorstands will die Gespräche mit der Union abbrechen - trotz des Votums von Michael Müller.

Nach Sachsen-Anhalt stellt sich auch der Landesverband der Berliner SPD gegen eine große Koalition. Bei der regulären Vorstandssitzung am Montag stimmten 21 von 29 Mitgliedern für einen Antrag der Berliner Jusos. Darin hatten die Jungsozialen die Ergebnisse der Sondierungen – insbesondere bei den Kernthemen Miete, Infrastruktur und Migration – als nicht ausreichend bezeichnet und die Berliner Delegierten aufgefordert, beim Bundesparteitag kommenden Sonntag gegen die Aufnahme von Koalitionsgesprächen mit CDU und CSU zu stimmen. In Bonn stellt Berlin 23 der bundesweit rund 600 Delegierten, die über eine mögliche Neuauflage der Groko entscheiden.

Für einen linken Landesverband wie den in der Hauptstadt ist ein solches Votum nicht überraschend. Dennoch offenbart es das Meinungsgefälle innerhalb der Partei. Landeschef Michael Müller hatte bereits vergangene Woche Zustimmung zu dem Ergebnis der Sondierungen mit CDU und CSU gezeigt und auch Montag betont, dass es eine Diskussionsgrundlage liefere und für Verhandlungen geworben. Doch die Partei folgte ihm nicht. Denn in weiten Teilen gibt es keine Zustimmung für eine dritte Auflage des Regierungsbündnisses.

Besonders der Umgang der Union mit der SPD schreckt offenbar ab. So hatte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt mit Bezug auf die Abstimmung der SPD Sachsen-Anhalt von einem „Zwergenaufstand“ gesprochen. In manchen Berliner Kreisverbänden soll die Zahl der Mitglieder, die eine erneute Regierungsbildung mit der Union ablehnen, inzwischen bei 80 bis 90 Prozent liegen. Als weiteren Grund werden immer wieder die mangelhaften Sondierungsergebnisse bei den Themen Mieten und Wohnen, Migration, Klimaschutz, Verteilungsgerechtigkeit oder auch die fehlende Bürgerversicherung genannt.

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    Dazu fürchten viele auch um das Profil ihrer Partei. Die „vermeintliche große Koalition“ sei mit 14 Prozentpunkten abgewählt worden, schreibt der stellvertretende Landesvorsitzende Mark Rackles in einem Positionspapier. Die notwendige Erneuerung der SPD sei in einer dritten Koalition nicht leistbar. Und: Als Juniorpartner der Union sei die SPD auf das Wohlwollen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) angewiesen. Der eher zum konservativen Lager zählende Bezirksbürgermeister von Treptow-Köpenick, Oliver Igel, bezeichnete es als inakzeptabel, dass die CSU in den Sondierungen eine Obergrenze beim Flüchtlingszuzug durchgesetzt habe. Sein Amtskollege aus Spandau, Helmut Kleebank, wies auf die große Kritik innerhalb der Berliner SPD schon bei der letzten Regierungsbildung 2013 hin.

    In Brandenburg votierte am Montagabend der SPD-Landesvorstand für Koalitionsverhandlungen von Sozialdemokraten und Union auf Bundesebene. Der Landesvorstand habe mit neun zu zwei Stimmen für die Verhandlungen gestimmt, teilte die SPD am Abend über Twitter mit. Ministerpräsident und SPD-Landeschef Dietmar Woidke sagte: „Es tut dem Osten gut, wenn die SPD regiert.“ Sie wisse, was der Osten brauche. Zehn Delegierte entsenden die märkischen Sozialdemokraten zum Bundesparteitag nach Bonn.

    Nahles sagt, Ergebnis werde „schlechtgeredet“

    Auch in der Bundes-SPD rumort es. Fraktionschefin Andrea Nahles warf den Gegnern vor, dass Sondierungsergebnis „mutwillig“ schlechtzureden. „Da wird ein Ergebnis schlecht geredet von einigen, die egal, was wir verhandelt hätten, gegen die Groko sind“, sagte Nahles am Montag im Deutschlandfunk. „Das akzeptiere ich nicht, da werde ich dagegenhalten.“ Die SPD habe in den Sondierungen viele Erfolge erreicht, etwa die Absicherung des Rentenniveaus.

    Von Seiten der Union ist der Weg für Koalitionsverhandlungen hingegen frei: Nach dem CDU-Vorstand am Freitag billigte am Montag auch der CSU-Vorstand die Aufnahme förmlicher Verhandlungen über eine Neuauflage – auf Basis des Sondierungspapiers. Sowohl die CDU- als auch die CSU-Spitze wollen noch am Sonntagabend direkt nach der Entscheidung des SPD-Parteitags über die Konsequenzen beraten.

    Doch zahlreiche SPD-Politiker kritisierten den Sondierungskompromiss. Der SPD-Vizechef Ralf Stegner sagte der „Bild“-Zeitung: „Das Sondierungsergebnis kann nur die Basis sein für Koalitionsverhandlungen. Es wird jetzt so getan, als sei alles schon verhandelt – das ist es mitnichten.“ Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer sieht wie Berlins Landeschef Müller die Chance für Nachbesserungen. Das Sondierungspapier trage eine deutlich sozialdemokratische Handschrift für die Zukunft des Landes.

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