Berlin. Knapp jeder fünfte Viertklässler erfüllt die Mindeststandards nicht. Berlin landet in fast allen Bereichen auf dem vorletzten Platz.

Viertklässler in Deutschland schneiden beim Lesen im internationalen Vergleich nur mittelmäßig ab. Zwar sind die Leistungen der Schüler in Deutschland seit dem Jahr 2001 relativ konstant geblieben, doch viele andere Länder sind in diesem Zeitraum an Deutschland vorbeigezogen. Besonders alarmierend: Fast jeder fünfte Viertklässler kann gar nicht richtig lesen. Das ist das Ergebnis der Internationalen Grundschul-Lese-Untersuchung (Iglu), die am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde.

Während Deutschland 2001 bei der Lesekompetenz im internationalen Vergleich noch auf Rang vier aller 47 untersuchten Länder lag, schneiden inzwischen 25 Länder besser ab. Und der Anteil der Schüler, die in Deutschland nicht einmal den Mindeststandard im Lesen erreichen, ist sogar größer geworden. 2001 scheiterten 16,9 Prozent der Viertklässler daran, einfache Informationen aus einem Text zu entnehmen. Im Jahr 2016 waren es 18,9 Prozent der getesteten Schüler.

„Der Abstand zwischen den leistungsschwachen und den leistungsstarken Schülern ist größer geworden“, sagte Wilfried Bos, Bildungsforscher der Technischen Universität Dortmund, bei der Vorstellung der Studie.

Die Ergebnisse der internationalen Vergleichsstudie bestätigen das, was bereits die im Oktober veröffentlichte IQB-Studie Bildungstrend für die einzelnen Bundesländer ergeben hatte. Auch der Bundesvergleich der Viertklässler hatte gezeigt, dass die Kompetenzen in Mathematik und Deutsch stagnieren.

Berlin in fast allen Bereichen auf dem vorletzten Platz

Doch es gibt große Unterschiede zwischen den Bundesländern. Berlin kam in fast allen Kompetenzbereichen bei den getesteten Schülern auf den vorletzten Platz. Noch schlechter schnitt nur der Stadtstaat Bremen ab.

Berlins Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) hofft, dass die Veränderung im neuen Rahmenlehrplan für Verbesserungen sorgen wird. Seit diesem Schuljahr ist Sprachförderung in allen Fächern verbindlich vorgesehen. „Eine systematische Sprachbildung ist Aufgabe aller Fächer. Sie schafft die Voraussetzungen für ein erfolgreiches fachbezogenes und fachübergreifendes Lernen und Kommunizieren“, sagte Scheeres der Berliner Morgenpost.

Im Unterschied zu Berlin hat es der Stadtstaat Hamburg geschafft, die Lesekompetenzen der Grundschüler deutlich zu steigern. Das hoben auch die Autoren der Iglu-Studie hervor. Dabei hat Hamburg ebenso wie Berlin einen relativ hohen Anteil an Migrantenkindern in den Schulen.

Wichtig sei es, dass es einen Erfahrungsaustausch über erfolgreiche Modelle zwischen den Bundesländern gebe, sagte Susanne Eisenmann (CDU), Präsidentin der Kultusministerkonferenz und Bildungsministerin in Baden-Württemberg.

Der neue Lehrplan allein werde nicht reichen, damit die Leseleistungen in Berlin besser werden, meinte der Vorsitzende des Landeselternausschusses in Berlin, Norman Heise. „In Berlin ist für schwache Schüler ähnlich wie in Hamburg eigentlich Förderunterricht in Kleingruppen vorgesehen. Allerdings fällt dieser hier oft aufgrund des Lehrermangels aus“, sagte Heise. Es fehle die Verbindlichkeit. Aber auch die Eltern müssten stärker drauf achten, dass das Lesen und Vorlesen fester Bestandteil zu Hause im Tagesablauf ist.

Qualität des Ganztagsbetriebes soll verbessert werden

Die bildungspolitische Sprecherin der CDU, Hildegard Bentele, mahnte an, die Qualität des Ganztagsbetriebes an den Berliner Grundschulen zu verbessern: „Berlin hat zwar einen hohen Anteil an Schülern in Ganztagsschulen, doch das hat keinen Effekt auf die Lernerfolge“, sagte Bentele. Die Ganztagsschulen müssten so ausgestattet sein, dass tatsächlich eine individuelle Förderung der Kinder am Nachmittag möglich ist und nicht nur eine Aufsicht stattfinde, sagte die CDU-Politikerin. Das Angebot nun durch kostenfreie Horte auszuweiten, wie es die rot-rot-grüne Koalition vorhat, sei da eher kontraproduktiv. Denn schon jetzt gebe es nicht ausreichend Erzieher.

Der Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Tom Erdmann, forderte ebenfalls eine verlässliche Ausstattung der Grundschulen in Berlin. „Wie soll Leseförderung verbessert werden, wenn es nicht einmal Personal für Schulbibliotheken gibt“, sagte er. Zudem sprach sich Erdmann dafür aus, das Modell Gemeinschaftsschule in Berlin wissenschaftlich genauer zu untersuchen. Erste Studien hätten ergeben, dass dort der Lernerfolg weniger von der sozialen Herkunft abhängt als an anderen Schulformen.

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