Im Tiergarten campieren immer mehr Obdachlose aus Osteuropa. Viele reagieren aggressiv. Der Bezirksbürgermeister schlägt Alarm.

Der Bürgermeister des Bezirks Mitte, Stephan von Dassel (Grüne), hat sich mit einem dramatischen Appell an die Öffentlichkeit gewandt. „Unsere Mitarbeiter aus dem Grünflächenamt brauchen dringend Hilfe, die Situation im Großen Tiergarten ist völlig außer Kontrolle“, sagte der Rathauschef am Freitag.

Die Mitarbeiter seines Grünflächenamtes seien damit überfordert, der zunehmenden Aggressivität überwiegend osteuropäischer Obdachloser, des Drogenmissbrauchs und der Prostitution sowie des wilden Lagerns in dem 210 Hektar großen Park rund um die Siegessäule Herr zu werden. „Wir müssen andere Maßnahmen ergreifen, mit der bisherigen Politik kommen wir nicht weiter“, forderte von Dassel.

Der Mord an der Kunsthistorikerin Susanne F., die genau vor einem Monat am Schleusenweg nahe dem Bahnhof Zoo im Großen Tiergarten überfallen und getötet wurde, hatte ein Schlaglicht auf die Situation in Berlins berühmtester Parkanlage geworfen. Gegen den mutmaßlichen Täter, einen 18-jährigen Russen, wurde inzwischen Haftbefehl wegen Mordes erlassen. Die Ermittler gehen davon aus, dass ein Raub das Motiv für die Tat war.

System der Platzverweise zunehmend wirkungslos

„Im Tiergarten hatten auch früher schon Obdachlose ihr Lager“, schilderte von Dassel. Allerdings habe es sich dabei um eine Handvoll Wohnungslose gehandelt. „Inzwischen zählen wir aber 50 bis 60 Menschen, die hier übernachten“, so der Bezirksbürgermeister weiter. Bei einem kleineren Teil dieser Obdachlosen handele es sich um Deutsche mit Anspruch auf Sozialhilfe. Diese Gruppe reagiere auf Ansprache sehr abweisend, „die brüllen unsere Mitarbeiter an, sie wollten mit dem ,Scheiß-Jobcenter-System‘ nichts zu tun haben“, berichtete der Grünen-Politiker.

Am problematischsten sei aber die größte Gruppe der Obdachlosen, die sich aus Alkohol- und Drogenabhängigen zusammensetze und überwiegend aus Osteuropa stamme. „Diese Gruppe reagiert aggressiv auf alles, was in ihre Nähe kommt, hier gelten zudem nicht einmal hygienische Mindeststandards, die Lage ist für unsere Mitarbeiter nicht mehr zumutbar“, so von Dassel. Das bisherige System der Polizeieinsätze, bei denen Platzverweise erteilt würden, sei wirkungslos: „Die sind nach zwei Stunden wieder da“, beklagte der Rathauschef. Der Frust sei auch bei der Polizei groß. „Diese Menschen haben hier kein Bleiberecht. Berlin muss sich ehrlich machen und die Abschiebung ernsthaft prüfen“, forderte von Dassel. Dies sage er im vollen Bewusstsein, dass viele so etwas in seiner Partei kritisch sähen. „Aber es ist mir relativ wurscht, was die Partei sagt, ich bin zuallererst meinen Mitarbeitern verpflichtet“, sagte von Dassel.

Ein Sprecher von Innensenator Andreas Geisel (SPD) teilte auf Nachfrage mit, aufgrund der aktuellen Aufarbeitung der Sturmschäden und der komplexen Problemstellung werde man erst am Montag eine Stellungnahme zu den Forderungen des Bezirksbürgermeisters abgeben können.

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