Mit Innovation und Marketing gegen Corona

Datum des Artikels 25.06.2020
MittelstandsMagazin

Durch die Corona-Maßnahmen brach für viele Einzelhändler und andere Mittelständler von einem Tag auf den anderen die Geschäftsgrundlage weg. Viele von ihnen bewiesen Kreativität und Innovationsgeist, um der Krise zu trotzen. Hier stellen wir drei innovative Geschäftsleute vor, die aber trotz guter Ideen weiter um ihre Existenz bangen.

Ein Hut teilt etwas mit

Er kann sagen: ,Küss mich‘ oder ,Bleib mir vom Leib‘. In Coronazeiten braucht es demnach einen Hut, der sagt: bitte Abstand halten.“ Nicki Marquardt weiß, wovon sie spricht. Sie ist Hutmacherin und Modisten-Meisterin in München. „Meine Philosophie ist, dass es für jeden Kopf und jede Gelegenheit den passenden Hut gibt“, sagt sie. Aber welcher Hut passt zu einer Pandemie, die alles auf den Kopf stellt? Die Idee mit dem Hut kam ihr schon Mitte März zu Beginn der Pandemie. Ihr Ziel: ein Hut mit einem Durchmesser von 1,50 Metern. „Natürlich habe ich schon große Hüte gemacht, aber das war eine andere Hausnummer.“ Der Hut besteht vor allem aus Stroh. Stroh hat zwar eine innere Festigkeit, beim ersten Probetragen klappte der Rand des Hutes aber irgendwann herunter. „Damit wurde die Idee des Social Distancing ad absurdum geführt“, sagt Marquardt und lacht. Die Lösung: Ein Exoskelett, mit dem der Hut stabilisiert wird. Zwei Wochen lang arbeitete sie zusammen mit einer Mitarbeiterin an dem Hut. Gekauft wurde er vom Stadtmuseum München.

„Durch Corona ist alles weggebrochen“

„Die Krise hat mein Unternehmen mit voller Wucht getroffen“, berichtet Marquardt. Eigentlich sei ihr Unternehmen sehr breit aufgestellt. „Wir verkaufen an Privatkunden. Wir arbeiten aber auch international mit Geschäftskunden in den USA, Asien und Europa zusammen.“ Sollte es auf einem Markt mal schlecht laufen, habe sie sich bislang immer auf ihre anderen Standbeine verlassen können. „Durch Corona ist aber alles komplett weggebrochen“, so Marquardt. Für sie und ihre Mitarbeiterinnen sei die Krise eine extreme Belastung gewesen. Sie musste ihre Mitarbeiterinnen in Kurzarbeit schicken und Soforthilfemaßnahmen beantragen. „Ich bin seit 25 Jahren am Markt. Aber die Krisehat mich anfangs komplett ausgeknockt. Ich bediene eine absolute Nische. Wir stellen Hüte her und fertigen alles von Hand hier in Deutschland“, so Marquardt. Das macht die Produkte exklusiv und den Absatzmarkt klein. Der Coronahut zeige aber, warum sie so lange im Geschäft sei: „Wir haben Kreativität und Know-how und zeigen, wie man auf eine solche Krise reagieren kann.“ Der Hut sei nie als dauerhafter Teil des Sortiments geplant gewesen. „Er ist ein Zeichen seiner Zeit. Er signalisiert den Menschen: Bitte haltet Abstand!“ Er kann die ausgebliebenen Umsätze natürlich nicht ersetzen. Als Marketingmaßnahme für ihr Geschäft hingegen hat er gut funktioniert. Trotzdem blickt Marquardt skeptisch in die Zukunft: „Eigentlich bin ich Berufsoptimistin. Aber ich habe Angst vor dem nächsten halben Jahr. Kommt im Herbst eine zweite Welle? Das Konsumverhalten ist ebenfalls nicht einschätzbar. Für uns kommt das Schlimmste erst noch, fürchte ich.“

Das Essen bringt der Omnibus

Christian Löble hat ein Busunternehmen in Öhningen-Wangen am Bodensee. „Corona war natürlich ein Schock. Es war ziemlich schnell klar, dass in nächs- ter Zeit keine Omnibusse mehr fahren dürfen. Daraufhin habe ich meine neun Busse abgemeldet“, berichtet er. Doch nur herumsitzen wollte er nicht. „Da kam mir die Idee mit dem Lieferservice. Das ist für alle Beteiligten eine Win-Win-Situation. Ich bleibe mit dem Unternehmen im Gespräch. Die älteren Menschen müssen als Risikogruppe nicht einkaufen gehen. Und die Supermärkte sind auch froh, wenn weniger Leute gleichzeitig im Laden sind.“

Anfangs hatte er überlegt, Geld für den Lieferservice zu verlangen, sich dann aber schnell dagegen entschieden: „Das hätte negativ wirken können, nach dem Motto: Der Löble versucht Geld aus der Krise zu schöpfen.“ Jetzt zahlt jeder das, was ihm das Angebot wert ist. Seine Fixkosten kann er damit nicht decken. Das sei aber auch in Ordnung. „Das Ziel war nicht Umsatz, sondern Werbung. Ich kenne einen anderen Busunternehmer. Der fährt jetzt manchmal mit dem Bus am Bahnhof vorbei, damit die Leute das Unternehmen noch wahrnehmen. Ich liefere eben Lebensmittel aus.“

Berufsverbot vom Staat

Auf die Regierung ist er nicht gut zu sprechen: „Der Staat hatmir de facto ein Berufsverbot erteilt. Stattdessen soll ich Soforthilfen und Kurzarbeit beantragen. Die Behörden sehen, wie viele Mitarbeiter ich habe und wie hoch meine Fixkosten sind. Wenn der Staat mir ein Berufsverbot erteilt, kann er mir das Geld auch direkt überweisen.“ Auch hat er das Gefühl, der Staat habe seine Branche ver- gessen. Die ersten drei Monate der Krise seien machbar gewesen, doch nun werde es schwerer. „Das Problem ist: Wann fahren die Leute, vor allem die Älteren, wieder mit dem Bus? Normalerweise ist für mich jetzt Hochsaison. Aber sämtliche Buchungen wurden storniert und es kommen auch keine neuen Buchungen mehr rein“, so Löble. Theoretisch darf er seit dem 15. Juni wieder fahren. Da die Buchungen bislang ausbleiben, ist er sich aber nicht sicher, ob er seinen Fuhrpark überhaupt wieder anmelden soll. Seine größte Sorge ist eine zweite Welle im Herbst: „Dann ist das Herbstgeschäft dahin und im Winter könnten die Skigebiete geschlossen werden.“ Die Nachfrage nach seinem Lieferdienst nimmt momentan stark ab. „Die Leute wollen raus, das merkt man. Selbst Risikogruppen gehen wieder selbst einkaufen“, berichtet Christian Löble.

Der digitale Buchladen

Der stationäre Buchhandel hätte zu den Gewinnern der Coronakrise zählen können. Der Internetriese Amazon beschloss zu Beginn der Pandemie, sich weitgehend aus dem Buchhandel zurückzuziehen. Haushaltswaren und Sanitätsartikel waren gefragt und Amazon brauchte seine Logistik- und Lagerkapazitäten um die Nachfrage stillen zu können. Doch die Buchläden durften nicht öffnen. „Dass wir den Laden schließen müssen, haben wir drei Tage vorher erfahren“, berichtet Katrin Schmidt, Inhaberin der Buchhandlung Lesezeichen in Ger- mering. Vor allem die ersten Tage des Lockdowns seien komisch gewesen. „Wir saßen in dem leeren, geschlossenen Laden. Ein paar Kunden haben angerufen, aber sonst ist nicht viel passiert.“

So kamen sie und ihre Mitinhaberin Helen Hoff auf die Idee, Videoberatungen für die Kunden anzubieten. „Wir haben Flyer gedruckt. Die haben wir in Geschäften, die noch öffnen durften, ausgelegt“, sagt Schmidt. Schon zuvor seien sie in den sozialen Netzwerken aktiv gewesen, um ihren Buchladen zu bewerben. Auch Bestellungen via WhatsApp hätten sie schon vor der Krise entgegengenommen. „Dieses Angebot wollten wir ausbauen und als Service zusätz- lich noch Videoberatungen anbieten. Wir waren dann jeden Tag von zehn Uhr morgens bis zehn Uhr abends beschäftigt. Wir haben mit den Leuten kommuniziert, sie zurückgerufen, Videotermine vereinbart und kurze Filme über Bücher gedreht“, berichtet sie.

„Mehr auf die Mittelständler hören“

Das Angebot wurde von der Kundschaft sehr gut aufgenommen. Doch so schön die Möglichkeiten der digitalen Kommunikation sind, für Katrin Schmidt und Helen Hoff bedeuten sie einen erheblichen Mehraufwand. „Wir haben nur einen Bruchteil des Umsatzes mit dem dreifachen Aufwand generiert“, sagt Schmidt. Da die Bücher nur noch auf Rechnung ausgeliefert wurden, musste für jedes Buch eine Rechnung geschrieben werden. „Wir hatten sehr viele Rechnungen für unter zehn Euro. Jeder, der einen eigenen Betrieb hat weiß, wie schlecht sich das rechnet und wie hoch die Bankgebühren sind“, erklärt sie. „Wir haben die Bücher persönlich mit dem Auto oder dem Fahrrad ausgeliefert, da die Post zu langsam war. Das kostete zusätzlich Benzin und Arbeitszeit.“ Der Einzelhandel habe seine Stärken nun mal nicht in der Logistik. „Dann hätten wir eine Halle auf der grünen Wiese und würden unsere Angestellten schlecht bezahlen“, witzelt sie unter Anspielung auf den großen Online-Konkurrenten.Wenn ein Einzelhändler seine Angestellten auch die Ware ausliefern lasse, entstünden hohe Kosten.

Katrin Schmidt sitzt für die CSU im Stadtrat von Germering. „Ich möchte die Entscheidungen, die Bundes- und Landespolitik in der Krise treffen mussten, nicht selbst treffen müssen. Aber es wäre großartig, mehr auf die Leute zu hören, die es betrifft. Und zwar nicht nur auf die Großunternehmen, sondern auch auf die Mittelständler“, sagt sie. Aus ihrer Sicht sind die aktuellen Zugangsbeschränkungen für Geschäfte immer noch zu strikt. „So wird das Konjunkturpaket seine Wirkung nicht entfalten. Die Kunden wollen nicht zum Einkaufen anstehen.“