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Unions-Fraktionsvize wundert sich nicht über die Umfragewerte seiner Partei

Linnemann: »Sebastian Kurz hat gezeigt, wie es geht«

Paderborn (WB). Unions-Fraktionsvize Carsten Linnemann (42) aus Paderborn fordert von der CDU mehr Wirtschaftspolitik. Andreas Schnadwinkel hat mit dem Bundestagsabgeordneten gesprochen.

Mit der Wiederwahl zum Chef der Mittelstands- und Wirtschaftsunion hat Carsten Linnemann seine Stellung in der CDU gefestigt.
Mit der Wiederwahl zum Chef der Mittelstands- und Wirtschaftsunion hat Carsten Linnemann seine Stellung in der CDU gefestigt.

Als wiedergewählter Bundesvorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsunion: Wie groß ist die Sorge bei Ihren 25.000 Mitgliedern, dass Kurzarbeit und Arbeitsplatzabbau in der Automobilindustrie auch die mittelständischen Betriebe treffen?

Carsten Linnemann: Ich kann mich an keine Situation in den letzten fünf bis zehn Jahren erinnern, in der das Bild so uneinheitlich war wie heute. Es gibt einzelne Branchen, darunter viele Handwerksbetriebe, die einen richtig guten Lauf haben. Auf der anderen Seite haben wir Unternehmen, die sehr stark auf den Export angewiesen sind, und denen beispielsweise der drohende Brexit Sorgen bereitet. Dies muss die Politik natürlich im Blick behalten. Aber wir sollten uns davor hüten, jetzt die Krise herbeizureden.

Immer mehr CDU-Politiker sprechen nicht mehr von der Sozialen Marktwirtschaft, sondern von einer ökologischen sozialen Marktwirtschaft. Was halten Sie als Volkswirtschaftler und Anhänger Ludwig Erhards von dieser Begriffserweiterung?

Linnemann: Ich halte überhaupt nichts davon. Ludwig Erhard hätte nie von einer ökologischen Sozialen Marktwirtschaft gesprochen. Im Übrigen auch nicht davon, die Soziale Marktwirtschaft nachhaltig weiterzuentwickeln, wie ich neuerdings auch oft lese. Die Soziale Marktwirtschaft ist in sich nachhaltig und auch ökologisch verträglich, man muss nur an ihren Prinzipien festhalten.

Wie erklären Sie sich, dass diese hysterische Klimadebatte nur in Deutschland in dieser Form geführt wird?

Linnemann: Offenbar neigen wir in Deutschland dazu, alles Weiße noch ein bisschen weißer zu sehen und alles Schwarze noch etwas schwärzer. Der Begriff »German Angst« kommt ja nicht von ungefähr. Mehr Emotionalität ist per se nichts Schlechtes, aber wenn sie dazu führt, dass die sachliche Debatte bereits im Keim erstickt wird, wird es ernst. Dann drohen Polarisierung und im Zusammenspiel mit einer zunehmenden Moralisierung eine Verengung dessen, was die Menschen glauben, sagen zu dürfen. Wer sich kritisch zur Flüchtlingspolitik äußert, muss damit rechnen, als Rassist bezeichnet zu werden. Wer rigorose Kohleausstiegszenarien ablehnt, muss erleben, als Klimaleugner abgekanzelt zu werden. Wo man auch hinhört, überall wird derzeit die Moralkeule geschwungen. Die Fähigkeit zum sachlichen Diskurs geht dabei verloren. Wenn wir nicht endlich gegensteuern, droht unsere Demokratie ins Rutschen zu geraten.

Kommt erst Ruhe in die Debatte, wenn im Speckgürtel zwischen Berlin und Potsdam Windkraftanlagen geplant werden?

Linnemann: So einfach ist es wohl nicht, zumal es in der Klimadebatte nicht allein um Differenzen zwischen Stadt- und Landbewohnern geht. Beim Thema Windkraft wird aber deutlich, worum wir uns in der Politik stärker kümmern müssen: um Akzeptanz. Die Energiewende kann nur gelingen, wenn die Menschen mitziehen. Und dazu braucht es in der Politik mehr Maß und Mitte.

Ihr Wahlkreis ist ländlich geprägt, aber Paderborn ist auch eine Großstadt und Studentenstadt. Spüren Sie den Stadt-Land-Konflikt, wenn Sie im Wahlkreis mit den Leuten sprechen?

Linnemann: Nein, zum Glück nicht. Paderborn ist das Zentrum einer bedeutenden ländlichen Region mit erfolgreichen mittelständischen Unternehmen und einer starken Landwirtschaft. Hier laufen viele Fäden zusammen, und die Menschen im Kreis Paderborn halten zusammen. Nicht zuletzt durch traditionsreiche Feste wie Libori und unsere Schützenfeste, aber auch durch innovative Netzwerke wie »It’s OWL«.

Grüne und CDU/CSU sind in den Umfragen wieder etwa gleichauf. Die Union macht das Thema Klimaschutz stark, aber die Leute wählen das Original, oder?

Linnemann: Natürlich haben die Grünen beim Thema Klimaschutz die höchsten Glaubwürdigkeitswerte. Aber wenn wir als Union wie die Grünen den Eindruck vermitteln, als gäbe es nur noch dieses eine Thema, dann brauchen wir uns über unsere Umfragewerte nicht wundern. Sebastian Kurz hat gezeigt, wie es geht: Er hat auch die weiteren Themen bearbeitet, die den Menschen unter den Nägeln brennen. Darunter beispielsweise die Migrations- und Integrationspolitik sowie die Frage, wie wir unseren Wohlstand erhalten können.

Was sagen Ihnen die Demoskopen: Jetzt auf Klimaschutz setzen, damit Sie einen Teil der nächsten jungen Wählergeneration nicht verlieren?

Linnemann: Ich halte überhaupt nichts davon, Politik nach demoskopischen Umfragen auszurichten. Wenn die CDU wieder erfolgreich sein will, muss sie mit Zukunftsthemen in die Offensive gehen. Sie muss zu ihren Überzeugungen stehen, sie in klare Positionen fassen und dazu eine klare Sprache verwenden. Mit Blick auf das künftige Parteiprogramm sage ich immer wieder: Lieber drei Seiten mit einfachen Hauptsätzen als 150 Seiten mit ellenlangem Geschwafel!

Derzeit erscheint Schwarz-Grün als einzige Machtoption der Union auf Bundesebene. Würden sich CDU und CSU auch als Juniorpartner der Grünen hergeben wie in Baden-Württemberg?

Linnemann: Ich werde dafür kämpfen, dass sich diese Frage niemals stellen wird.

Soll sich die CDU in Thüringen zum kleineren Koalitionspartner der Linkspartei machen, damit überhaupt eine Regierung gegen die AfD gebildet werden kann?

Linnemann: Ich habe grundsätzlich ein Problem damit, mit der Linkspartei zu koalieren – übrigens wie auch mit der AfD. Es gibt ja auch noch andere Möglichkeiten, etwa die einer Minderheitsregierung. Aber so weit wird es nicht kommen. Denn Mike Mohring, unser Spitzenkandidat in Thüringen, steht für glaubwürdige Politik. Er wird ein sehr gutes Ergebnis erzielen.

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