Politik

"Zentraler Denkfehler" Worauf es bei der Klimapolitik ankommt

Windrad in Sachsen

Windrad in Sachsen

(Foto: imago images / photothek)

Der Erfolg der deutschen Klimapolitik entscheidet sich nicht an deutschen Fleischtheken oder in den Heizungskellern. Vielmehr braucht Berlin weltweit Verbündete, um die globalen CO2-Emissionen zu reduzieren. Das Klima interessiert sich nicht für Landesgrenzen.

Im Wochenrhythmus kreisten im Sommer neue Ideen zum Klimaschutz durch die Lande: von Verboten für innerdeutsche Flüge über höhere Steuern auf Fleisch bis hin zu neuen CO2-Steuern auf Benzin, Diesel und Heizöl. Die Panik, die Greta Thunberg nach eigenem Bekunden auslösen wollte, hat sie ausgelöst. Nicht nur bei vielen Bürgern, deren Sorge vor den Folgen des Klimawandels massiv zugenommen hat, sondern auch bei Politikern und Parteien, die einen regelrechten Überbietungswettbewerb führen, um als Klimaretter wahrgenommen zu werden.

Dieser klimapolitische Aktionismus leidet jedoch an einem zentralen Denkfehler: Der Erfolg der deutschen Klimaschutzbemühungen entscheidet sich weniger an deutschen Fleischtheken oder in Heizungskellern als vielmehr beim Europäischen Rat oder auf der nächsten UN-Klimakonferenz. Bei allem, was Politik, Unternehmen und Bürger in Sachen Klimaschutz hierzulande machen, kommt es entscheidend darauf an, wie der Rest der Welt darauf reagiert. Zur Erinnerung: Über 97 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes werden außerhalb Deutschlands emittiert. Das Klima interessiert sich nicht für Landesgrenzen, kluge Klimapolitik sollte es genauso wenig tun.

Wenn wir nun unsere Kohlekraftwerke so schnell wie möglich abschalten wollen, erneuerbare Energien massiv subventionieren oder CO2-Steuern einführen, dann spart das allein noch kein CO2 ein. Dafür ist Deutschland - zum Glück - viel zu sehr mit unseren europäischen und internationalen Partnern über gemeinsame Märkte und Handelssysteme verbunden. Ergo: Wenn bei uns die Nachfrage nach Rohöl oder nach Emissionszertifikaten rückläufig ist, sinken die jeweiligen Preise und das Rohöl findet in China oder das Emissionszertifikat in Polen dankbare Abnehmer. Wenn wir im nationalen Alleingang unsere energieintensiven Industrien signifikant belasten, verlagern diese ihre Produktionsstätten ins Ausland -  ein Trend, den wir wegen der hohen Strompreise bereits seit Jahren registrieren.

Wer die weltweiten Treibhausgasemissionen senken will, braucht dreierlei:

1. Verbündete für eine europäisch und global angelegte Klimapolitik

Carsten Linnemann ist Fraktionsvize und Chef der Mittelstandsvereinigung der Union.

Carsten Linnemann ist Fraktionsvize und Chef der Mittelstandsvereinigung der Union.

(Foto: picture alliance / dpa)

Eine Klimapolitik, der es nicht um eine aufgehübschte nationale Klimabilanz, sondern um die zielsichere Reduktion der weltweiten CO2-Emissionen geht, kommt an einem globalen Emissionsrechtehandel nicht vorbei. Jede Maßnahme muss sich daran messen lassen, ob sie uns einem solchen System näherbringt. Der Emissionsrechtehandel hat sich nicht nur in der EU, sondern in einer weiterwachsenden Zahl an Ländern weltweit bewährt. Er ist technologieneutral und reizt die Marktteilnehmer dazu an, innovative Wege zum Schutz des Klimas zu finden. Den Verkehrs- und Wärmesektor in den EU-Emissionsrechtehandel einzubeziehen, wäre ein wichtiger Schritt zu einer globalen Lösung für ein globales Problem. Deutschland könnte dazu einen Antrag bei der Kommission stellen oder zunächst mit einer Koalition der Willigen ein zweites Handelssystem einrichten. In jedem Fall sollten wir damit beginnen, das europäische Emissionshandelssystem mit anderen Systemen zu verknüpfen. Dieser Weg ist besser, effizienter und klimapolitisch wirkungsvoller als eine rein nationale CO2-Steuer.

2. Nachahmer einer klugen Anreizpolitik

Deutschland praktiziert den Doppelausstieg aus Kern- und Kohleenergie. An vielen Stellen setzen wir auf Verbote und Vorschriften, subventionieren mit riesigen Summen die Wind- und Sonnenenergie und bezahlen diese Energiepolitik mit den weltweit höchsten Strompreisen. Und am Ende verfehlen wir trotzdem unsere selbst gesteckten nationalen Klimaziele. Ist es wirklich verwunderlich, dass uns bei diesem ineffizienten Alleingang bislang kein Land folgt?

Während wir darüber streiten, ob das letzte unserer rund 100 Kohlekraftwerke im Dezember 2037 oder Januar 2038 schließen soll, werden auf der ganzen Welt neue Kraftwerke gebaut - rund 1400 mit rund 670 Gigawatt Leistung sind derzeit in Planung oder im Bau. Wenn wir der Welt zeigen wollen, dass Klimaschutz und Wirtschaftswachstum kein Widerspruch sind, müssen wir weniger auf nationales Ordnungsrecht und mehr auf marktwirtschaftliche Preisanreize setzen - etwa für die energetische Gebäudesanierung. Auch die deutsche Kreislaufwirtschaft ist ein exzellentes Beispiel für ein Modell, das sich weltweit immer mehr durchsetzt. Kurzum: Wir müssen der Welt konsequent zeigen, dass steigender Wohlstand und sinkender CO2-Ausstoß kein Widerspruch sind. Nur so finden wir Nachahmer, statt zum abschreckenden Beispiel zu werden.

3. Handelspartner, die innovative Umwelttechnik "Made in Germany" nachfragen

Ein weiterer Schlüssel zur Lösung der weltweiten Klimaprobleme liegt in Deutschland: Technologie und Innovation! Die deutsche Wirtschaft kann zwar nicht den Klimawandel alleine abfedern, sie kann aber der Welt die Technologie zur Verfügung stellen, damit wir vorankommen.

Oswald Metzger war lange Finanzexperte der Grünen. Er ist seit 2008 CDU-Mitglied und arbeitet als Publizist.

Oswald Metzger war lange Finanzexperte der Grünen. Er ist seit 2008 CDU-Mitglied und arbeitet als Publizist.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Jeder, der in den vergangenen Jahren auf der Hannover-Messe war, hat gesehen, zu was gerade unsere Wirtschaft in der Lage ist. Eine klimaneutrale Fabrik, die BASF in China baut, trägt mehr zum Klimaschutz bei als wir in Deutschland mit Fahrverboten je erreichen können. Wir sollten den CO2-Ausstoß nicht verlagern, sondern die Technologien entwickeln, um ihn zu minimieren. Dazu müssen wir Universitäten und Unternehmen bei der Forschung unterstützen, ohne ihnen Technologievorgaben zu machen. Wenn wir wie beim Erneuerbare-Energien-Gesetz Technologien vor hohen Marktrisiken faktisch schützen und mit hohen Renditen belohnen, bremsen wir die Innovationsfähigkeit aus. Bei der Förderung von Antrieben und Kraftstoffen dürfen wir diesen Fehler auf keinen Fall wiederholen und uns nicht als Politik etwa auf Elektromobilität festlegen.

Wir stehen vor einer riesengroßen Aufgabe: Wir müssen den weltweit steigenden Bedarf nach Energie stillen und gleichzeitig die weltweiten Treibhausgasemissionen schnell und entschlossen senken. Für diese Aufgabe werden wir Erfindergeist, wirtschaftliche Vernunft und politische Entschlossenheit brauchen. Jede Maßnahme, die das Klimakabinett am 20. September beschließt, muss sich daran messen lassen, ob sie uns einer globalen Lösung für ein globales Problem näherbringt. 

Quelle: ntv.de

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