Riesen-Zoff um Bedürftigkeitsprüfung: GroKo lässt Gipfel zur Grundrente platzen

FDP-Vize Theurer: Merkel muss Machtwort sprechen

Union und SPD können sich nicht auf einen Plan für die Grundrente einigen

Union und SPD können sich nicht auf einen Plan für die Grundrente einigen

Foto: Bernd von Jutrczenka / dpa
Von: Ralf Schuler u. Peter Tiede

Der Dauer-Zoff um die Grundrente geht weiter!

Eigentlich wollte sich die GroKo am Montag auf einen Plan für die Grundrente einigen. Doch daraus wird nichts! Das Spitzentreffen von Union und SPD: geplatzt und verschoben auf den 10. November. Es gebe „noch offene Punkte, die im Laufe der Woche sorgfältig geklärt werden“ müssten, so ein CDU-Sprecher am Sonntag.

Die Idee: Wer sein Leben lang gearbeitet hat, soll im Alter eine Rente bekommen, die zumindest ca. zehn Prozent über der staatlichen Grundsicherung liegt. Bedingung: 35 Beitragsjahre, Erziehungszeit für Kinder und Pflege von Angehörigen sollen angerechnet werden.

Größter Streitpunkt: die Bedürftigkeitsprüfung. Im GroKo-Vertrag steht, dass nur der eine Grundrente erhalten soll, der wirklich bedürftig ist. Die SPD aber besteht darauf, dass JEDE Mini-Rente nach 35 Beitragsjahren aufgestockt wird.

Unmut in der CDU

Bis zuletzt schien es so, als sei die CDU von ihrer Position einer echten Bedürftigkeitsprüfung abgerückt und eingeknickt. Tatsächlich hatten die Unterhändler, darunter auch Gesundheitsminister Jens Spahn (39, CDU), nach BILD-Informationen einem Papier zugestimmt, nach dem Vermögen, Erträge aus Aktien sowie der Besitz von Immobilien vor Bezug einer Grundrente NICHT überprüft werden sollen.

Die Rentenversicherung sollte lediglich die Steuerbescheide der Rentner prüfen. „So müssen sich die Menschen auf den Ämtern nicht nackig machen“, freute sich ein SPD-Verhandler.

Der Unmut in der Union daraufhin: groß. Mitglieder sprechen von einem „Skandal“, man sei „komplett eingeknickt“. Mittelstandschef Carsten Linnemann (42) zu BILD: „Wenn wir auf die Vermögensprüfung verzichten, wird uns politisch wie rechtlich schnell auch eine Debatte über die Vermögensanrechnung bei allen anderen Sozialsystemen ins Haus stehen – etwa bei der Grundsicherung für Arbeitssuchende.“ Das könne niemand wollen.

Linnemann weiter: „Frau Nahles wusste bei den Koalitionsverhandlungen um diesen heiklen Punkt, deshalb haben wir damals die Bedürftigkeitsprüfung im Koalitionsvertrag festgeschrieben. Mir ist es ein Rätsel, warum man sich heute nicht mehr daran halten will.“

Mark Hauptmann (35, CDU), Chef der Jungen Gruppe in der Unionsfraktion zu BILD: „Ich halte eine Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung für ein Vergehen an der jungen Generation (...).“

Jana Schimke (40, CSU) sagte BILD: „Unser Sozialstaat darf nicht weiter ausgehöhlt werden. Bedürftigkeit ist schon heute klar definiert. Dabei muss es bleiben. Im Übrigen gibt es keinen politischen Kompromiss, der das rechtfertigen könnte.“

Noch am Samstag dementierte Jens Spahn zunächst den BILD-Bericht: „Geeinigt ist nichts“, schrieb er auf Twitter. Demnach könne es eine Einigung für ihn nur geben, wenn drei Bedingungen erfüllt wären. Darunter eine „harte Einkommensprüfung“ als Bedürftigkeitsprüfung.

FDP-Vize: Merkel muss Machtwort sprechen

In einem Brandbrief an Fraktionschef Ralph Brinkhaus (51, CDU), der BILD am SONNTAG vorliegt, bat BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter, „dringend“ von der Grundrente abzusehen. „Es darf nicht sein, dass immer weitere ­Milliarden für das ­Koalitionsklima statt für dringend nötige Infrastruktur- und Zukunftsmaßnahmen investiert werden.“

Ähnlich äußerte sich der Vizechef der FDP-Bundestagsfraktion, Michael Theurer (52), in BILD: „Frau Merkel muss ihr Schweigen und ihre Untätigkeit bei der Grundrente beenden und eine Bedürftigkeitsprüfung durchsetzen. Die Rentenkasse und das Geld der Beitragszahler dürfen nicht zur Rettung der SPD missbraucht werden.“

Die Arbeitsgruppe der Koalition hatte bis zum frühen Freitagmorgen getagt. Danach erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus Koalitionskreisen, zwar solle auf das Wort „Bedürftigkeitsprüfung“ verzichtet werden - die Finanzämter sollten aber „das zu versteuernde Einkommen“ den Berechnungen zugrunde legen. Das könnte bedeuten, dass steuerpflichtige Einkünfte aus Kapitalerträgen oder aus Mieten und Verpachtungen mitberücksichtigt werden. Die Gesamtkosten für die Grundrente sollten zuletzt unter zwei Milliarden Euro bleiben. Profitieren sollten noch etwa 1,5 Millionen Menschen.

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